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Schweizer Wahlkampf 2015
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In eigener Sache

Rückblick auf Nachbern.ch 2015

Das Projekt Nachbern.ch begleitete 42 Tage lang den Wahlkampf 2015 in der Schweiz, vom 7. September bis zu den Wahlen am 18. Oktober. Was ist in dieser Zeit geschehen? Welche Erkenntnisse konnten gewonnen werden? Ein kleiner Rückblick – inklusive allem, was auch noch war.

Was habe ich veröffentlicht auf Nachbern.ch?

Nach der ersten Woche, die mich gegen meinen Willen mit der Aufarbeitung einer entzogenen Akkreditierung beschäftigte, produzierte ich auch noch das hier:

  • Insgesamt 40 gesammelte «Schweizer Wähler» (davon 13 weibliche)
  • 7 längere Berichte von Wahlveranstaltungen aus Neuenkirch und Sempach (LU), Zürich (ZH), Lausanne (VD), Brig und Gamsen (VS), Uetendorf (BE), Regensdorf-Watt (ZH) und Zollikofen (BE)
  • 4 Interviews zum Thema Lobbying
  • 1 Analyse zum SVP-Wahlkampf

Recht viel zu produzieren, auch alleine, ist also möglich. Doch auch wenn ich keine Mühe habe, Entscheidungen zu treffen, so war es aber gerade in der ersten Woche schon sehr fordernd, alles selbst machen zu müssen: Beiträge schreiben, Medienanfragen beantworten, mich um die Erneuerung der Akkreditierung bemühen; alleine die Betreuung der Sozialen Medien nahm fast die Hälfte aller Aktivitäten in dieser Zeit ein. Ich hätte mich da oft gerne mit einem Team besprochen und andere Meinungen eingeholt. Doch um ein Team zu finanzieren, hätte das Crowdfunding einen viel höheren Betrag erlösen müssen.

Was ging alles schief?

Die Entscheidung, keine Kameraausrüstung mitzuschleppen, sondern alle Fotos mit meinem angejahrten Smartphone (Samsung Note 3, gekauft im Frühling 2014) zu machen, war nicht unbedingt eine schlechte. Das Gerät war so stets zur Hand, die Qualität der Fotos ganz in Ordnung – solange die Sonne schien. In schlecht belichteten Räumen aber versagte das Gerät (oder der Fotograf), unscharfe Bilder waren dann die Regel. Die Versuche, per Bildbearbeitung zu retten, was noch zu retten war, gehören zu den Tätigkeiten, die ich wenn immer möglich zukünftig in die Hände von Profis geben möchte.

Bei 2 von insgesamt 56 Tonaufnahmen liess mich die Speicherkarte meines Audio-Aufnahmegeräts (Zoom H4nSP) im Stich, die Dateien konnten nicht geöffnet werden. Von einer weiteren Aufnahme, die ich auf einer Fussgängerbrücke über die Aare in Solothurn aufgenommen hatte, waren leider nur wenige Bruchstücke zu hören, weil der Wind ins Mikrofon blies und ich nicht an einen Windschutz gedacht hatte. Schade deshalb, weil der junge Mann der erste war, der sich zu einem Gespräch bereit zeigte, nachdem ich eine halbe Stunde lang vergeblich diverse Personen angesprochen hatte. Und schade deshalb, weil nicht nur das Foto ganz gut herausgekommen ist, sondern weil er auch eine interessante Art hatte, zu wählen: Er schrieb die Namen der ersten sechs Kandidaten, die ihm Smartvote.ch vorgeschlagen hatte, einfach 1:1 ab und notierte sie auf seinem Wahlzettel.

Wähler in Solothurn

Meine Idee, handschriftliche Postkarten an die Unterstützer zu versenden, wäre gar nicht so schlecht gewesen. Hätte es der notorische Laptop-Arbeiter Grob nicht in den letzten Jahren verlernt, von Hand zu schreiben. Zusammen mit einer leicht grobmotorischen Veranlagung sind nun Postkarten herausgekommen, die von den Empfängern im besten Fall sogar entziffert werden können. Viel «Spass»!

Wie ging das nochmals mit diesem «Eklat»?

Wer im Parlament Parlamentarier, die sich selbst fotografieren, fotografiert, ohne vorher eine explizite Erlaubnis einzuholen, dem wird die Akkreditierung entzogen. Soweit die Erkenntnis an Tag 3 von Nachbern.ch. Wer die Story dazu nachlesen will, kann das in diesen Beiträgen:

«Die Debatte im Nationalrat ist tot» (Nachbern.ch, 8. September 2015)
«Per sofort kein Zutritt mehr zum Bundeshaus für Nachbern.ch» (Nachbern.ch, 9. September 2015)
«Offener Brief an Mark Stucki, Bereichsleiter Information, Parlamentsdienste, Bern» (Nachbern.ch, 10. September 2015)
«Reaktionen auf den Entzug der Akkreditierung» (Nachbern.ch, 10. September 2015)

Was bleibt mir von der Geschichte in Erinnerung?

  • Dass Chantal Galladé (SP) bis heute behauptet, ich würde «lügen» (Screenshot) und wolle mit einer «falschen und bösartigen Unterstellung» (Screenshot) etwas erreichen. Eine Anfrage für ein klärendes Interview hat sie nicht beantwortet. Ich bleibe vollumfänglich bei meiner Darstellung und habe nichts zurückzunehmen.
  • Dass mir die «Sonntagszeitung» allen Ernstes vorwarf, mich selbst zu inszenieren, weil ich nicht brav akzeptieren wollte, dass mir der Zugang zum Bundeshaus entzogen wird. Die Story von Barnaby Skinner enthielt nicht nur vier faktische Fehler, die erst auf ausdrückliche Nachfrage korrigiert wurden. Sie ist – neben der legitimen und von mir akzeptierten kritischen Sichtweise («schoss sich auf Personen ein», «die grössten Verlierer sind deshalb die 101 Personen, die Grobs Berichterstattung mit 10 430 Franken unterstützen») – auch deshalb ein Tiefpunkt, weil sich hier ein Journalist gegen einen anderen auf die Seite der Staatsmacht stellte («der falsche Winkelried», «eine Posse sondergleichen», «missachtete die politische Debatte»). Ein Journalist, der einen anderen einen «falschen Winkelried» nennt, nur weil dieser unabsichtlich einen Punkt eines staatlichen Merkblatts vergessen hatte, bewegt sich auf sehr dünnem Eis.
  • Dass die Parlamentsdienste fähig sind zur argumentativen Akrobatik. Mir schreiben sie «Sie haben ab sofort keinen Zutritt mehr», was eine zeitlich unbeschränkte Sperre bedeutet. Die nachhakenden Journalisten dagegen informieren sie grossherzig, dass ich absolut problemlos jeden Tag wieder eine Akkreditierung erhalten könne. Der gutgläubige Barnaby Skinner etwa schrieb: «Der Parlamentsdienst sagt auch: Grob könne jederzeit einen neuen Antrag für eine Akkreditierung stellen. Der Ausschluss betreffe nur die Tage, die er bereits gemeldet habe.» Bei mir fragte er nicht nach. Tatsächlich wurde mir von den Parlamentsdiensten am 28. August 2015 per E-Mail eine tägliche Akkreditierung für die Zeit vom 6. bis 25. September 2015 zugesichert.
  • Dass man als Journalist eine Bewilligung zum Fotografieren der Parlamentarier von der Journalistentribüne aus auch dann einholen muss, wenn die Fotografen neben einem auf der Journalistentribüne Parlamentarier fotografieren – und wenn die Parlamentarier, die unter einem sitzen, einander fotografieren. De facto durfte ich vom 9. bis zum 14. September nicht ins Bundeshaus. Nach einer kurzen persönlichen Aussprache mit Mark Stucki von den Parlamentsdiensten wurde mir der Zugang ab dem 15. September 2015 wieder gewährt. Die Unterredung endete schon nach kurzer Zeit ohne jegliche Auflagen, aber mit der Zusicherung meinerseits, das Merkblatt zukünftig in allen Punkten einzuhalten. Am 17. September geisterte ich dann sogar als Gespenst durch das Bundeshaus, denn Mark Stucki schrieb mir per E-Mail:

    «Ich wurde kontaktiert, weil Sie – dem Vernehmen nach – heute auf der Pressetribüne des Ständerates waren und fotografiert hätten.»

    Ich schrieb ihm postwendend zurück:

    «Ich war heute bisher noch nicht im Parlament, also auch nicht auf der Pressetribüne des Ständerats. Falls jemand fotografiert hat heute, so kann ich ihnen zusichern, dass ich es nicht war.»

    Persönlich glaube ich, es würde den Parlamentsdiensten gut anstehen, in ihrem unterwürfigem Eifer, den Parlamentariern zu Diensten zu stehen, weder den Bürger noch das freie Wort zu vergessen. Denn sowohl die Parlamentarier als auch die Parlamentsdienste stehen in erster Linie im Dienste des Bürgers.

Wie war der Wahltag im Bundeshaus?

Langweilig. Und mit einem sehr bescheidenen Aufmarsch an Politikern. Doch vielleicht ist es ganz gut so, dass sich die Journalisten am Wahltag im Bundeshaus langweilen, während die Menschen der Schweizer Politik in ihren Kantonen zusammenkommen oder gleich zu Hause bleiben. In der Abwägung, ob das Fernsehen zukünftig aus Zürich-Leutschenbach oder aus dem Bundeshaus berichtet, sollte ganz simpel das tiefere Budget den Ausschlag geben. Denn man kann die «Elefantenrunde» überall in der Schweiz machen. Also am besten in einem kostengünstigen Fernsehstudio. In Zürich. In Lugano. Oder in Genf.

Wahltag im Bundeshaus am 18. Oktober 2015

«Wir können keine minimale Bandbreite für diesen Internetzugang garantieren», stand im Infoblatt der Parlamentsdienste für den Wahltag. Die TV-Übertragung per Stream im Kommissionszimmer der Deutschschweizer Journalisten funktionierte dann tatsächlich nicht, die dort schreibenden Journalisten wurden über Stunden mit einem ruckelnden Stream gequält; ein zu Hilfe gerufener Techniker konnte das Problem nicht lösen. Also schaute man in das TV-Gerät des «Grand Café des Alpes», zusammen mit den SRG- und SRF-Spitzen, welche die Wahlergebnisse emotionslos und mit stoischer Ruhe aufnahmen.

Wahltag im Bundeshaus am 18. Oktober 2015

Das Lagerfeuer TV SRF funktioniert zumindest am Wahltag noch perfekt. Die Deutschschweizer Journalisten drängen sich um den Bildschirm, auf dem SRF1 läuft. Die Westschweizer Journalisten um den Bildschirm vis-à-vis, auf dem RTS1 läuft. Die Journalisten sind übrigens inzwischen so modern, dass sie die Input-Informationen per Second Screen ergänzen (oft: Twitter). Beim schriftlichen Festhalten von Informationen jedoch ist die Technik erst sehr vereinzelt verbreitet. Sehr viele Bundeshausjournalisten machten sich Notizen mit einem Stift, auf einem Notizblock aus Papier.

Überwunden wird die Sprachgrenze des Röstigrabens erst, als sich die Journalisten am Abend Wein ausschenken lassen. Alle angebotenen Esswaren und Getränke waren übrigens für die Anwesenden kostenlos, Bezahlen nicht möglich. Finanziert wurde das vom Verein Hauptstadtregion Schweiz, wie die Parlamentsdienste auf Anfrage mitteilen, also indirekt vom Steuerzahler.

Wie war der Wahlkampf?

Dass die SVP zulegen und sich die SP auf Kosten der Grünen behaupten würde, das hatte ich auch ohne repräsentative Umfragen aufgrund meiner Gespräche mit den «Schweizer Wählern» vermutet; die ebenfalls Wähleranteil einbüssenden Mitteparteien GLP und BDP wurden dabei kaum je genannt. König dieses Wahlkampfs und stets im Fokus der Aufmerksamkeit war die SVP: Sie trieb die anderen Parteien vor sich her, die hauptsächlich reagierten, nicht agierten. Die neue, weichere, freundlichere Form des Wahlkampfs, wie sie diese Partei nun erstmals betrieben hat (vgl. «Der Wahlkampf der SVP 2015: Im Stil freundlich, in der Sache hart»), hat Früchte getragen: Der Anteil der Frauen an der Wählerschaft konnte stark gesteigert werden. Die neu hinzugekommenen Wählerinnen und Wähler setzen dann aber auch neue Akzente bei den Kandidaten und wiesen langjährige Aushängeschilder der Partei wie Hans Fehr (SVP), Roland Borer (SVP) oder Christoph Mörgeli (SVP) aus dem Parlament. Man kann wohl davon ausgehen, dass auch ein Toni Bortoluzzi (SVP) oder ein Max Binder (SVP) nicht wieder gewählt worden wären.

Hatte Nachbern.ch denn überhaupt Leser?

Ja. In der ersten Woche sehr viele, danach im erwartbaren Ausmass:

Zugriffszahlen Nachbern.ch

Darf man Berichterstattung als Belohnung anbieten?

Im Crowdfunding habe ich Belohnungen in Form von Berichterstattung in Aussicht gestellt, falls ein bestimmter Betrag gespendet werden sollte. Jemand bezahlte 500 Franken, damit ich «unabhängig und kritisch» von einer «Wahlkampf-Veranstaltung für die National- und Ständeratswahlen 2015» berichte. Und jemand bezahlte 1000 Franken für einen Drink inklusive Interview auf Nachbern.ch. Dass ich solche Angebote überhaupt mache, rief Kritik hervor, zum Beispiel in einem Interview auf Persoenlich.com. Und in Tweets:

@ronniegrob Kann man schon machen. Aber schade, wenn Zahlungsbereitschaft ausschlaggebend ist für Präsenz auf Deiner Seite.

— Rahel Walser (@Reidschl) July 30, 2015

@nachbern ich finds problematisch, ja. Weil man sich so Berichterstattung sichern kann. Auch die Auswahl gehört zur journ. Unabhängigkeit.

— Ruben Schönenberger (@rubensch) July 30, 2015

Nun ist beides nicht zustande gekommen. Im ersten Fall nicht, weil die Person einfach nur 500 Franken spenden wollte und die Belohnung versehentlich reklamiert hatte. Im zweiten Fall nicht, weil die Person dann doch nicht interviewt werden wollte.

Was war auch noch? (I)

Bei allerschönstem Spätsommerwetter war ich auch noch am Doppel-Wahlkampfevent «Zmörgeli mit Mörgeli» / «Ghackets mit Matterhörnli» von Christoph Mörgeli (SVP) und Thomas Matter (SVP) auf dem Huebhof in Bachs im Kanton Zürich. Bei musikalischer Begleitung von Willis Wyberkapelle wurde kostenlos ein gutes Frühstück serviert. Und dann gleich noch ein Mittagessen.

«Zmörgeli mit Mörgeli» am 12. September 2015 in Bachs

Aufgefallen am Anlass ist mir ein Mann im Publikum, der fast alles, was gesagt wurde, kurz kommentierte. Hier ein paar Müsterchen seiner Kommentare:

Matter: «87 Prozent der Asylbewerber beziehen Sozialhilfe.»
Mann aus dem Publikum: «Super!»
Matter: «Wir sollten kein Bargeld mehr verteilen, sondern nur noch Sachleistungen.»
Mann aus dem Publikum: «Genau!»
Mörgeli: «Wir sind ja ihre Knechte, und sie sind unsere Meister.»
Mann aus dem Publikum: «Schön wär’s!»
Matter: «Wann haben Sie zuletzt einen Anwalt vom Staat gestellt erhalten?»
Mann aus dem Publikum: «Ich habe noch nie etwas erhalten.»

«Zmörgeli mit Mörgeli» am 12. September 2015 in Bachs

Was war auch noch? (II)

Ich war an einem Fussball-Match auf dem Sportplatz Bodenweid in Bümpliz, welchen der FC Nationalrat gegen das Swisscoach-Team mit 0:1 verlor, unter anderem, weil Stürmer Fabio Regazzi (CVP) auch die besten Chancen versiebte. Die weiteren Offensivkräfte Christian Wasserfallen (FDP) und Hannes Germann (SVP) agierten allerdings auch nicht glücklicher. Ein Spielbericht lässt sich hier nachlesen. Auf dem Bild sehen wir einen Eckball des FC Nationalrat, links aussen mit der Rückennummer 8 steht Thomas Minder (parteilos):

FC Nationalrat

Was war auch noch? (III)

Der traditionelle Herbstsessions-Anlass der Schweizerischen Public Affairs Gesellschaft (SPAG) am 15. September 2015 im Hotel Bellevue in Bern, an dem DEZA-Sonderbotschafter Eduard Gnesa redete:

SPAG-Podiumsdiskussion am 15. September 2015

Auf dem Podium lieferten sich anschliessend Silvia Schenker (SP), Ruth Humbel (CVP), Oskar Freysinger (SVP) und Doris Fiala (FDP) eine zerfahrene Diskussion zum Thema «Migration über das Mittelmeer – Herausforderung für Europa und die Schweiz». Auf peinliche Weise emotional aneinander gerieten vor allem FDP und SVP: Fiala sprach bei jeder Gelegenheit dazwischen und Freysinger schaffte es, trotz mehrerer Nachfragen kein Wort zu äussern zur aktuellen Asylgesetzgebung. Von den Leuten auf dem Podium am ehesten einen vernünftigen Eindruck machte in dieser Diskussion Silvia Schenker, die von der Wichtigkeit sprach, dass die Asylgesetzrevision durchgebracht und nun umgesetzt werde. So gebe es auch in Zukunft geordnete Verhältnisse: «Die Bedingungen sind nicht erfüllt, als dass die Schweiz wieder Grenzkontrollen einführen müsste.» Der Diskussion nicht dienlich war es, dass die Moderatorin des Gesprächs, Anja Burri vom Tages-Anzeiger, den SVP-Vertreter wie einen Paria behandelte und ihn nicht angemessen zu Wort kommen liess.

Wem gebührt Dank?

Allen Spendern und Unterstützern. Allen Lesern und Kommentierern. Und überhaupt allen, die nach meinem Rausschmiss aus dem Bundeshaus solidarisch mit mir waren, Berichte darüber veröffentlicht und sogar persönlich bei den Parlamentsdiensten interveniert haben. Das ist nicht selbstverständlich, denn gerade Journalisten und Blogger habe ich mit meiner Medienkritik die letzten Jahre oft genervt und manchmal auch richtig verärgert. Bei allem (produktiven und angebrachten) Streit unter Publizisten ist es eben wichtig, dass man, wenn es darauf ankommt, zusammensteht und sich gemeinsam gegen die von Steuergeldern lebenden Informationsverhinderer stellt.

Was wurde über Nachbern.ch veröffentlicht?

«Reaktionen auf den Entzug der Akkreditierung» (nachbern.ch)
«Reaktionen zu Blogposts von https://nachbern.ch/» (storify.com/ath_nikow)
«Nach Rauswurf: Blogger Ronnie Grob darf wieder ins Bundeshaus» (aargauerzeitung.ch, Lorenz Honegger)
«Medien und der Comment im Nationalratssaal» (medienspiegel.ch, Peter Studer)
«Der Rand ist ständig» (srf.ch, Gabriel Vetter, Audio, 5:48 Minuten)
«Medientalk: Nachbern.ch – eine Zwischenbilanz» (srf.ch, Audio, 35:25 Minuten)
«Leise Töne statt Berliner Schnauze» (swissinfo.ch, Petra Krimphove)

Oktober 25, 2015von Ronnie Grob
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Wahlveranstaltung

«Am meisten bringt es, wenn man authentisch ist»

Mit seinem Müller-Mobil betrieb der 31-jährige Ständeratskandidat Damian Müller Wahlkampf bis zum letzten Tag vor dem Wahltag. Zahltag war dieser aber noch nicht, denn keiner der Kandidaten erreichte das absolute Mehr im ersten Wahlgang. Der zweite findet Mitte November statt.

Ständeratswahlkampf in Neuenkirch im Kanton Luzern, einer Gemeinde mit 6426 Einwohnern an der südlichen Spitze des Sempachersees. Es sei heute der 17. Samstag, an dem er draussen stehe und ansprechbar sei, erzählt mir Damian Müller (FDP). Angefangen, mit seinem selbstumgebauten Dreiradmobil den Kontakt zur Bevölkerung zu suchen, habe er bereits Anfang Juni. «Meine Wählerschaft soll vor allem auch die Möglichkeit haben, mich näher kennen zu lernen», steht auf seiner Website.

Neuenkirch, 17. Oktober 2015

Ständeratskandidat Müller, Jahrgang 1984, ledig und im Wohn- und Geschäftshaus seiner Eltern wohnhaft, hat das auch nötig. Die Leute müssen ihn kennenlernen und ihn im Amt des Ständerats, das viele eher älteren als jüngeren Personen zutrauen, sehen wollen. Müller selbst glaubt nicht, dass sein Alter ein Nachteil ist. Er sei ja schon vierzehn Jahre lang in der Politik aktiv und bringe ausreichend Erfahrung mit: «Politik sollte nicht nur von 55-Jährigen und Älteren gemacht werden, es braucht auch im Ständerat einen guten Altersmix.» Ausserdem, so Müller, hoffe die ältere Generation darauf, dass die jüngere Generation mit dabei ist.

Mit dem Einsatz des Müller-Mobils habe er seine Visibilität und Bekanntheit erhöhen und die Erfahrung machen können, dass viele Leute mit ihren Anliegen auf Politiker zukommen. Im Juni noch war das grosse Thema die Wirtschaft und der starke Franken. Bald darauf aber rückte die Flüchtlingskrise die Migration ins Zentrum der Diskussionen. Jeweils drei bis vier Orte im Kanton Luzern hat Müller pro Samstag besucht. Er war an 17 Samstagen unterwegs, die um 7 Uhr in Hitzkirch begannen und erst am späten Nachmittag endeten. Das Tagesprogramm heute: Ruswil am frühen Morgen, Neuenkirch am späten Morgen, Sempach am Nachmittag.

Neuenkirch, 17. Oktober 2015

Müller hat ein Mobil, eine gut gemachte Website, er ist auf Twitter (427 Followers) und Facebook (1550 Fans) aktiv in den Sozialen Medien. Welche der Aktionen seines Wahlkampfs, der insgesamt rund 80 000 Franken kostete, brachte nun am meisten? «Man kann das nicht evaluieren. Am meisten bringt es, wenn man authentisch ist», glaubt Müller.

Neuenkirch, 17. Oktober 2015

Im Interview macht er bereits den Eindruck eines Medienprofis. Seine Antworten sind überlegt, wohlformuliert und weder zu kurz noch zu lang. «Es ist doch auch abseits der Medienberichterstattung wichtig, dass man weiss, wen man wählt. Viele Wähler schätzen es, wenn Politiker noch auf die Strasse gehen.» Er sage allerdings niemandem, er müsse FDP auf den Wahlzettel schreiben. Im Gegenteil: Der Wähler müsse überzeugt werden.

Wer von den Menschen, die hier ihren Wocheneinkauf erledigen, Interesse hat, kriegt einen Kaffee. FDP-Politiker und FDP-Sympathisanten diskutieren hier miteinander über linke Lehrer, den FAZ-Debattenbeitrag von Lukas Bärfuss und über Lokalpolitik, stets befinden sich rund 10, 15 Personen rund um den Stand. Nach dem Mittag fährt Müller sein Mobil vor den Coop nach Sempach, wieder wird Kaffee serviert, wieder werden Guetzli angeboten, wieder wird diskutiert.

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Was will Müller in der Politik überhaupt erreichen? Er will den Kanton Luzern vertreten. Und Gesetze nur dann verabschieden, wenn sie unbedingt nötig sind – er tritt generell an für weniger Regulierung. Letzteres will auch Nationalratskandidatin Irene Keller (FDP), von der ich ein Set Jasskarten aus Schweizer Produktion erhalte mit ihrem Konterfei drauf:

Irene Keller von der FDP

Ebenfalls am Stand ist Nationalratskandidat Roland Mahler (FDP), Transportunternehmer aus dem Entlebuch und einer breiteren Öffentlichkeit bekannt als vom «Blick» inszenierter «8. Bundesrat». Sein Lastwagen ist in Blickweite des Stands abgestellt, Müller und Mahler sind darauf gemeinsam zu sehen.

Neuenkirch, 17. Oktober 2015

Trotz leidenschaftlichem Wahlkampf wurden die beiden Kandidaten im Schatten von Damian Müller nicht in den Nationalrat gewählt. Mit 19 044 Stimmen (Keller) und 23 094 Stimmen (Mahler) blieben sie doch deutlich zurück hinter den gewählten Albert Vitali (FDP) (36 183 Stimmen) und Peter Schilliger (FDP) (33 378 Stimmen). Während Schilliger, FDP-Präsident des Kantons Luzern, vom Bisherigen-Bonus profitieren konnte, strahlt Treuhänder Vitali eine Bodenständigkeit aus, die offenbar gut angekommen ist bei den Wählern (Hobbys: Jodeln, Schwingen, Kaninchenzucht, Skifahren, Wandern).

Damian Müller aber hat gute Chancen, bald dem Ständerat anzugehören. Am 15. November 2015 sind die Luzerner Wähler zu einem 2. Wahlgang aufgerufen.

Der Besuch fand am 17. Oktober 2015 in Neuenkirch und Sempach statt.

Oktober 21, 2015von Ronnie Grob
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Schweizer Wähler

Neuenkirch, 17. Oktober 2015, 11:15 Uhr

Neuenkirch, 17. Oktober 2015, 11:15 Uhr

«Ich habe brieflich gewählt und dazu die FDP-Liste des Kantons Luzern verwendet. Kumuliert habe ich nur immerhalb dieser Liste, Kandidaten von anderen Parteien habe ich nicht aufgeschrieben. Dass man als Bürger mitentscheiden kann, was einem die Zukunft bringt, ist etwas Wichtiges. Man sollte nicht nur mit der Faust im Sack dastehen, sondern aktiv mitmachen und seine Meinung äussern. Nie wählen würde ich die Grünen, die sind mir etwas zu extrem.»

Oktober 18, 2015von Ronnie Grob
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Schweizer Wähler

Brig, 28. September 2015, 20:33 Uhr

Brig, 28. September 2015, 20:33 Uhr

«Ich wähle Liste Nummer 1, CSP. Zwei Namen werde ich darauf doppelt hinzufügen, nämlich Philippe Nantermod (FDP) und Michael Kreuzer (SVP). Die CSP wähle ich traditionsbedingt, ich habe die schon immer gewählt. Sie ist politisch gut aufgestellt, mit einem bürgerlichen Touch, aber auch sozial. Es ist eine Ausgleichpartei, ein Mix zwischen CVP, FDP und SP. Der Gründer der CSP war ausserdem der Taufpate meiner Mutter. Hier im Wallis war die Energiepolitik das wichtigste Wahlkampfthema, und der Tourismus. Ich bin für die Energiewende, aber sie muss gestaffelt vor sich gehen – wir können nicht einfach per sofort alle AKWs abstellen. Die Wasserkraft ist eine riesige Chance für uns. Die Parlamentarier vom Wallis und von Graubünden müssen schauen, dass die Wasserkraft wieder mehr Gewicht hat in Bern. Nie wählen würde ich SP: Mich stört, dass in dieser Partei keinerlei Stolz auf Schweizer Werte gibt.»

Oktober 17, 2015von Ronnie Grob
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Interview

«Wir von Lobbywatch.ch recherchieren diese Fragen, deren Transparenz eigentlich Aufgabe des Staates sein müsste»

Thomas Angeli ist Co-Präsident von Lobbywatch.ch, einer Datenbank, die Interessenbindungen von Parlamentariern zu Firmen, Vereinigungen und Institutionen aufzeigt. Im Interview mit Nachbern.ch spricht Angeli über das Lobbying in den parlamentarischen Gruppen, die Transparenz des Parlaments und erzählt, wie Lobbys mit ihren Anliegen in die Medien kommen.

Nach dem Interview mit CVP-Nationalrat Urs Schläfli hatte ich den Eindruck, er rede lieber mit Lobbyisten als mit Journalisten. Ist das gefährlich?
Man muss als Politiker nicht unbedingt mit Journalisten reden. Wer aber eine allzu grosse Nähe zu Lobbyisten hat, begibt sich in die Gefahr, abhängig zu werden und nur noch die Meinungen gewisser Interessengruppen zu hören. Es legen zudem nicht alle Lobbyisten ihre Interessen offen.

Müssten die Badges abgeschafft werden?
Nicht zwingend, aber es muss Transparenz geschaffen werden. Heute kann ein Parlamentarier ja einer Person einfach als «Gast» Zugang zum Bundeshaus gewähren – und niemand hat eine Ahnung, welche Interessen dieser Gast vertritt. Wir von Lobbywatch.ch recherchieren diese Fragen, deren Transparenz eigentlich Aufgabe des Staates sein müsste, zum Beispiel der Parlamentsdienste. Die Parlamentsdienste können aber von sich aus gar nicht aktiv werden, dazu braucht es zunächst mal den politischen Willen des Parlaments, und der ist bisher nicht vorhanden. Im Nachgang der Kasachstan-Affäre wurden diesbezüglich parlamentarische Vorstösse lanciert, aber die werden erst nach den Wahlen behandelt. Was davon umgesetzt wird, zeigt die Zukunft. Wir sind sehr beschränkt optimistisch.

Ich hatte den Eindruck, die Parlamentsdienste verstehen sich nicht als Dienst am Bürger, sondern am Parlamentarier.
Es geht schon aus dem Namen hervor: Die Parlamentsdienste sind für das Parlament da. Es ist ein Dienstleistungsunternehmen innerhalb des Parlaments, das nicht stark auf eine Aussenwirkung ausgerichtet ist. Immerhin ist die Transparenz gegen aussen in den letzten Jahren etwas besser geworden. Die Liste der Zutrittsberechtigten ist inzwischen wenigstens im PDF-Format [Nationalrat / Ständerat] auf Parlament.ch verfügbar. Vor wenigen Jahren noch war diese Liste nur auf Anfrage in einem Büro der Parlamentsdienste einsehbar. Journalisten mussten diese Namen von Hand abtippen.

Wieso braucht es Lobbywatch.ch überhaupt?
Otto Hostettler und ich haben bei unserer journalistischen Tätigkeit für den «Beobachter» nicht nur eine grosse Intransparenz festgestellt, sondern auch, dass viele der aufgeführten Mandate und Interessenbindungen nicht mehr aktuell sind oder schlicht vergessen wurden. Niemand kontrolliert diese Liste, und es gibt keinerlei Sanktionen, wenn etwas nicht stimmt. Wir wollten deshalb eine Datenbank zur Verfügung stellen, die für alle abrufbar und recherchierbar ist.

Wie finanziert sich Lobbywatch.ch?
Wir haben im Herbst 2014 mit einem Crowdfunding 13 800 Franken gesammelt. Wenn wir die Daten vervollständigen und aktuell halten wollen, werden wir in der nächsten Zeit ein weiteres Crowdfunding machen müssen, denn nur mit Freiwilligenarbeit ist das nicht zu stemmen. Wir werden deshalb junge Journalisten anstellen, die für uns diese Recherchen machen.

Wer sind die problematischsten Lobbyisten?
Die Netzwerke im Parlament, die in den Bereichen Pharma oder Krankenkassen gesponnen werden, sind sehr stark. Ebenfalls stark, aber von uns noch nicht erschöpfend untersucht, ist die Landwirtschaftslobby. Die Lobby der Energieversorger dagegen hat gegenüber früher etwas an Einfluss verloren. Lobbyisten holen gerne Parlamentarier in Verwaltungsräte, um Einfluss auszuüben oder bemühen sich um einen der 492 Badges. Ein anderer, immer wichtiger werdender Bereich sind die parlamentarischen Gruppen, die Interessensgemeinschaften, die im Parlament gegründet werden. Das ist ein bisher völlig unkontrollierter Bereich des Lobbyings, in dem wir Transparenz schaffen wollen. Diese Gruppen sind in einer PDF-Datei auf Parlament.ch einsehbar. Interessant ist jeweils, wer das Sekretariat dieser Gruppen führt: oft erledigen das Interessenverbände oder Lobbyfirmen. Hier werden die Bewegungen der Parlamentarier orchestriert.

Wie kommen Lobbyisten in die Medien?
Die einfachste Form ist vermutlich, eine Studie zu machen. Wenn die Botschaft sexy ist, dann reicht es den Journalisten oft schon, wenn die Studie einen halbwegs seriösen Eindruck macht, und schon berichten sie breit. Das ist eine Form des Lobbying.

Haben es Lobbyisten nicht furchtbar leicht, auf die Titelseiten von Medien kommen, in dem sie Informationen bei Journalisten platzieren?
Ja. Aber man muss auch sehen, dass der Zeitdruck, den Journalisten heute haben, immens ist. Das Hauptbedürfnis vieler Journalisten ist es daher, möglichst schnell zu Informationen zu kommen. Und wenn man schnell sein muss, dann kann man nicht mehr in die Tiefe gehen und ist unter Umständen froh, wenn man eine Geschichte auf dem Silbertablett serviert erhält.

Was sagen Sie zu Parlamentariern wie Lorenz Hess (BDP), die hauptberuflich Lobbyisten sind?
Neu ist das nicht, und aus der Logik eines Lobby-Unternehmens macht das durchaus Sinn. Mit Kandidaten wie Lorenz Hess (BDP) und Claudine Esseiva (FDP) perfektioniert das Furrerhugi nun. Auch Alexandra Thalhammer (FDP) von Burson-Marsteller kandidiert. Tatsächlich kann man kaum einen besseren Zugang zum Bundeshaus erhalten als durch einen eigenen Parlamentarier. Zudem gibt es auch immer mehr Parlamentarier mit eigenen Beratungsunternehmen: Sebastian Frehner (SVP), Albert Rösti (SVP) oder Gregor Rutz (SVP), um nur einige zu nennen. Das sind Personen, die Vollzeit in einer Mischform zwischen Parlamentarier, Kommunikationsarbeiter und Lobbyist unterwegs sind.

Wie geht es nun weiter mit Lobbywatch.ch?
Wir wollen zunächst unsere Datensammlung vervollständigen. Sobald das gemacht ist, können wir diese Daten visualisieren. Vielleicht können wir uns dann auch besser vernetzen mit anderen Projekten. Gerade auf europäischer Ebene gibt es sehr interessante Projekte, die sich dem Lobbying widmen: Lobbycontrol.de, Abgeordnetenwatch.de oder Lobbyplag.eu. Um das alles umzusetzen, brauchen wir aber mehr Mitglieder, bisher ist die Mitgliederzahl überschaubar.

Das Gespräch mit Thomas Angeli wurde am 9. Oktober 2015 in Zürich geführt.

Oktober 16, 2015von Ronnie Grob
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Schweizer Wähler

Morges, 3. Oktober 2015, 11:17 Uhr

Morges, 3. Oktober 2015, 11:17 Uhr

«Ich habe mich bisher noch nicht entschieden, aber ich werde wahrscheinlich links wählen, grün, vielleicht sogar die Piraten. Politisch beschäftigt mich die Position der Schweiz gegenüber der EU nach der Annahme der Masseneinwanderungsinitiative. Ich möchte Politiker wählen, die hier auf eine Lösung hinarbeiten. Gerne würde ich grün wählen, doch heute ist es schwierig, Grüne zu finden, die nicht dogmatisch sind, also Kandidaten, die ökologisch denken, aber nicht auf eine sektiererische Art. Grünliberal klingt gut, aber für mich ist es widersprüchlich. Denn einerseits braucht es, um das Grüne durchzusetzen, einschränkende Normen. Andererseits wollen die Liberalen weniger Staat.»

Oktober 16, 2015von Ronnie Grob
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Schweizer Wähler

Solothurn, 30. September 2015, 15:42 Uhr

Solothurn, 30. September 2015, 15:42 Uhr

«Ich habe die grüne Liste eingeworfen, unverändert, denn mir ist die Umwelt ein Anliegen. Die Sicherheit der Atomkraftwerke muss gewährleistet sein, damit nicht wieder etwas passieren kann wie Japan oder in Tschernobyl. Nie wählen würde ich die FDP.»

Oktober 15, 2015von Ronnie Grob
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Wahlveranstaltung

Europa-Diskussionen ohne SVP

Die Neue Europäische Bewegung Schweiz (NEBS) lässt Zürcher Ständeratskandidaten die Zukunft der Schweiz in Europa diskutieren. Das Volk ist im Volkshaus Zürich aber nur partiell vertreten.

Ende August 2015 wurden 2013 Schweizer gefragt, welches das dringendste Problem ist, das die Schweizer Politik heute lösen soll. Die Top-Antwort war «Migration, Ausländer, Integration, Asyl & Flüchtlinge». Aber schon auf Platz 2 folgte «EU & Europa, Bilaterale». Dass die Neue Europäische Bewegung Schweiz (NEBS) zusammen mit den Young European Swiss (YES) über das Thema diskutiert, ist also durchaus ein Anliegen der Bürger. Der Abend ist Abschluss einer «Europatour» mit Podiumsdiskussionen in neun Schweizer Städten.

Anwesend am Anlass in Zürich sind etwa 80 Personen. Nicht anwesend, jedenfalls auf dem Podium nicht, ist die grösste Partei der Schweiz, die SVP. Bei den «Europatour»-Veranstaltungen in Lausanne, Chur und Lugano durfte jeweils ein SVP-Vertreter mitreden, in Neuenburg sogar deren zwei. Bei den «Europatour»-Veranstaltungen in Zürich, Genf, Freiburg, Basel und Bern dagegen war die grösste Partei der Schweiz dagegen nicht auf dem Podium vertreten. Warum nicht? Der Ständeratskandidat der Partei, Hans-Ueli Vogt (SVP), antwortet auf Anfrage, dass er eingeladen wurde: «Ich hatte auf die Anfrage nicht sofort reagiert, weil ich mir zuerst über die Teilnahme Gedanken machen wollte. Ich versäumte es dann aber, den Organisatoren bald eine Rückmeldung zu geben. Was diese wohl – verständlicherweise – als Absage deuteten. Sie fragten nach meiner Erinnerung aber auch nicht nach.» Die Vermutung, es gebe bei der NEBS eine gewisse Tendenz, unter sich zu bleiben und sich nicht mit der unangenehmen Realität einer Gegnerschaft bezüglich den eigenen Ideen beschäftigen zu wollen, greift also nicht. Vielleicht hat Vogt auch gezögert bei der Zusage, weil es für ihn vor einem solchen Publikum kaum Wählerstimmen zu gewinnen gibt?

«Ich möchte keinen Vorschlag von der SVP hören», sagt NEBS-Mitglied Barbara Schmid-Federer (CVP), die sich selbst als «sehr EU-freundlich» einstuft, in der Diskussion und man merkt, dass sie ganz zufrieden ist über die Nicht-Anwesenheit der Opposition auf dem Podium: «Die SVP lebt davon, dass sie eine Anti-EU-Partei ist. Mit der will ich doch keine Lösungen suchen.» Sie antwortet damit auf eine Idee von Ruedi Noser (FDP), der von der SVP einen konkreten Umsetzungsvorschlag für die Volksinitiative «Gegen Masseneinwanderung» forderte: «Ich bin sicher, dass sie sich nicht mal auf einen einigen können», vermutet er. Daniel Jositsch (SP) dagegen hat Vorschläge für den Bundesrat bei der Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative bereit: «Es wäre dumm, wenn der Bundesrat jedes Gespräch, jeden Schritt mitteilt. Das wird doch eh nur von rechts kritisiert.» Was auch immer der Bundesrat präsentieren werde – die SVP werde damit nicht zufrieden sein: «Glaubt irgendjemand, dass Sommaruga mit irgendeinem für die SVP akzeptierbaren Vorschlag aus Brüssel zurückkommt? Das wird niemals passieren.»

Was nun gilt bezüglich der Europäischen Union, ist nicht immer einfach zu verstehen. Ruedi Noser (FDP) erzählt etwa, es gebe eine Abwanderung von Arbeitskräften nach Deutschland, denn Deutschland sei attraktiver als die Schweiz: «Vielleicht werden wir bald Leerstände haben in unseren Wohnungen.» Nur um wenige Minuten später nachzuschieben, dass die EU im Moment zugegebenermassen an Attraktion verloren habe. Bastien Girod (Grüne) dagegen wünscht sich von der EU mehr Förderalismus und mehr direkte Mitbestimmung der Bürger wie in der Schweiz und zählt Anzeichen auf, dass sich die EU hier in die richtige Richtung bewege. Nur um wenige Minuten später nachzuschieben, dass die EU schon noch demokratische Defizite habe. Also wie man mit Griechenland umgegangen sei, das sei schon nicht in Ordnung gewesen.

Am ehesten Distanz zur EU haben die beiden Liberalen Noser («Wir müssen nicht mit der EU diskutieren, wie wir die Zuwanderung organisieren, das können wir selbst entscheiden») und Martin Bäumle (GLP) der erzählt, 1992 gegen den EWR-Beitritt gestimmt zu haben. Er hätte in der Folge nicht gedacht, dass der bilaterale Weg so gut funktioniere: «Ein EU-Beitritt ist nicht der richtige Weg.» Er warnt auch davor, Ecopop in die braune Ecke zu stellen. Das Volk habe mit der Ablehnung der Ecopop-Initiative «Ja» zu den Bilateralen gesagt. Und mit der Annahme der Masseneinwanderungsinitiative «Ja» zur Begrenzung der Zuwanderung.

Mitten in der Debatte läuft ein Mann aus dem Publikum zu Bäumle hin und schüttelt ihm die Hand. Dann setzt er sich in die erste Reihe des Publikums, aber nur, um wiederholt das Wort an sich zu reissen. Die SVP sei eine «Fascho-Partei», ruft er in den Saal und nennt Moderatorin Luzia Tschirky eine «Schnorritante». Das Publikum versucht, ihn mit «Shh-shh»-Zischen zur Ruhe zu bringen, was aber leider überhaupt nicht gelingt. Damit er verschwinde, verkündigt er, müsse man schon die Polizei holen. Und dann macht man einfach weiter in der Hoffnung, er möge nicht weiter stören, was nicht gelingt. Irgendwie ist der Störer sinnbildlich: Auch die 50,3 Prozent Befürworter der Masseneinwanderungsinitiative stören die Anwesenden gewaltig. Aber aktiv mit ihnen beschäftigen will sich niemand. Man hofft – ohne besonderen Anlass dazu zu haben – irgendwie auf ihr Verschwinden.

Die Veranstaltung fand am 8. Oktober 2015 im Blauen Saal des Volkshaus Zürich statt.

Oktober 14, 2015von Ronnie Grob
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Schweizer Wähler

Brig, 28. September 2015, 21:06 Uhr

Brig, 28. September 2015, 21:06 Uhr

«Für den Nationalrat lege ich die Liste der SVP unverändert ein. In den Ständerat wähle ich Jean-René Fournier (CVP) und Franz Ruppen (SVP). Mir ist die Unabhängigkeit und Eigenständigkeit der Schweiz im gesamteuropäischen Kontext wichtig, ich will keine grössere institutionelle Anbindung an die EU. Als Bewohner eines Randgebiets ist mir zudem der Föderalismus ein Anliegen, dass es hier einen Ausgleich gibt zwischen den Berg- und den Talgebieten. Nie wählen würde ich die PNOS.»

Oktober 14, 2015von Ronnie Grob
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Schweizer Wähler

Gamsen, 29. September 2015, 21:09 Uhr

Gamsen, 29. September 2015, 21:09 Uhr

«Selbstverständlich gehe ich wählen! Ich werde die Liste der CVP unverändert einlegen. Als Bergkanton ist uns im Wallis der Tourismus und die Energie sehr wichtig. Aber auch die Asylpolitik bewegt mich: wenn man selbst Familie hat und dann mit vom Krieg flüchtenden Familien konfrontiert ist, dann kann man die nicht einfach verjagen. Dass man Kriegsflüchtlingen helfen muss, ist für mich klar. Wiederum können wir nicht alle Wirtschaftsflüchtlinge aufnehmen, denen sollte vor Ort geholfen werden.»

Oktober 13, 2015von Ronnie Grob
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