Mit Blumen und grünen Velos versuchen die Grünen Sabine Reber, Anna Katharina Zenger und Andreas Zenger, an einem Samstag in Uetendorf Wählerstimmen zu sammeln.

«Also früher haben die noch einen ganz grossen Bogen um uns herum gemacht bei Standaktionen», sagt Anna Katharina Zenger (Grüne) über die Menschen hier zwischen Migros und Coop, ganz in der Nähe des Bahnhofs. Ort und Zeit (Samstag, 26. September, 14 bis 16 Uhr) sind gut gewählt, aber viele Leute, die ihren Wocheneinkauf hier vorbeitragen, hat es dennoch nicht. Es seien halt Herbstferien, erklärt man sich die vereinzelten Passanten im Team.

Wir sind in 3661 Uetendorf, einer Vorortsgemeinde von Thun mit 5620 Schweizern und 426 Ausländern – so weist es die Website www.uetendorf.ch mit brandaktuellen Daten aus. Uetendorf ist eine SVP-Hochburg im Kanton Bern: 37,3 Wähleranteil konnte die Partei 2011 auf sich verbuchen, Gemeindepräsident ist Albert Rösti (SVP), heuer Wahlkampfleiter der SVP Schweiz.

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Heutzutage reden die Leute mit Annekäthi Zenger, Oberstufenlehrerin im Dorf und seit 1989 verheiratet mit Andreas Zenger, der von den drei Grünen am Stand am Häufigsten auf die Leute zugeht. Aber ob sie sich auch für die Grünen begeistern können? Das bleibt eher fraglich. «Es ist ein hartes Brot als Grüne in Uetendorf», berichtet Andreas Zenger, der erzählt, dass es manchmal schwierig sei, wenn man im eigenen Dorf politisch aktiv ist. «Aber es ist gut, dass die Grünen einen Sitz haben im Gemeinderat, so kommt es zu besseren Lösungen.»

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Die Grünen kamen 2011 in Uetendorf auf 6,8 Prozent der Wählerstimmen. Den Sitz im Gemeinderat hält Annekäthi Zenger inne («Ressort: Vizegemeindepräsidium / Hochbau und Planung»). Sie sitzt dort mit drei SVPlern, zwei SPlern und einem EVPler. Wird die EVP so von links und rechts in die Zange genommen? Zenger verneint. Die Entscheide im Gemeinderat seien lösungsorientiert und hätten oft mehr mit der Person und weniger mit der Parteipolitik zu tun.

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Nationalratskandidatin Sabine Reber (Grüne) strahlt viel positive Kraft aus: «Es passiert ständig, dass ich Leute überzeugen kann! Sonst hätten ja solche Standaktionen gar keinen Sinn», sagt sie. Früher war sie bei der SP, aber erst bei den Grünen habe sie ihre Rolle so richtig gefunden. Sie ist zuversichtlich, gewählt zu werden. Regula Rytz (Grüne) sei ja 2011 von einem noch schlechteren Listenplatz als sie gestartet, und auch gewählt worden. Sie glaubt nicht mal, dass es langweilig werden könnte im Nationalrat: «Ich diskutiere wirklich gerne!» Als Journalistin, Kolumnistin, Buchautorin habe sie zudem einen Standortvorteil gegenüber anderen Politikern. Wie der quer einsteigende Journalist Roger Köppel (SVP) hat auch Journalistin Reber mit der Missgunst der parteiinternen Konkurrenzkandidaten zu kämpfen. Pablo Donzé (Grüne), mit ihr auf der Liste der Grünen im Kanton Bern, wirft ihr im Journal du Jura vor, sie habe überhaupt keine Erfahrung in der Politik: «C’est juste une tête connue, car elle est Madame Jardinage dans un magazine …».

Politisch beschäftigt Reber die Asylpolitik am meisten. Das Botschaftsasyl müsse die Schweiz unbedingt wieder einführen. Eine Unterscheidung zwischen Flüchtlingen nach Genfer Flüchtlingskonvention und Personen, die aus ökonomischen Gründen zuwandern, hält sie für nicht angebracht: «Ob jemand flüchtet, weil er keine Existenzgrundlage mehr hat oder weil Krieg ist, das ist letztlich das Gleiche. Es ist ein Menschenrecht, eine Existenz für sich und seine Familie aufzubauen.» Ich frage nach, ob sich dann also jeder Russe und jeder Chinese in der Schweiz niederlassen dürfen solle. «Nein, es kommt ja auch nicht jeder», antwortet Reber. «Aber man sollte denen, die kommen, eine faire Chance geben, damit sie ihr Leben führen und arbeiten können.»

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Ich verabschiede mich, und bald packt auch Sabine Reber ihren Sonnenblumen-Anhänger. Sie fährt ihn nach Bern, um dort eine 300-köpfige «Menschenkette für eine menschliche Asylpolitik» zu bilden. Im Zug könne man übrigens sehr gut Wahlkampf betreiben, mit ihrem auffälligen Anhänger komme sie immer wieder ins Gespräch mit den Menschen. Eigentlich sei es ja verboten, in Bahnhöfen Wahlkampf zu betreiben, aber beim Umsteigen mit den Leuten zu reden und «chli flyere», sei ja zum Glück erlaubt.

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