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In eigener Sache

Rückblick auf Nachbern.ch 2015

Das Projekt Nachbern.ch begleitete 42 Tage lang den Wahlkampf 2015 in der Schweiz, vom 7. September bis zu den Wahlen am 18. Oktober. Was ist in dieser Zeit geschehen? Welche Erkenntnisse konnten gewonnen werden? Ein kleiner Rückblick – inklusive allem, was auch noch war.

Was habe ich veröffentlicht auf Nachbern.ch?

Nach der ersten Woche, die mich gegen meinen Willen mit der Aufarbeitung einer entzogenen Akkreditierung beschäftigte, produzierte ich auch noch das hier:

  • Insgesamt 40 gesammelte «Schweizer Wähler» (davon 13 weibliche)
  • 7 längere Berichte von Wahlveranstaltungen aus Neuenkirch und Sempach (LU), Zürich (ZH), Lausanne (VD), Brig und Gamsen (VS), Uetendorf (BE), Regensdorf-Watt (ZH) und Zollikofen (BE)
  • 4 Interviews zum Thema Lobbying
  • 1 Analyse zum SVP-Wahlkampf

Recht viel zu produzieren, auch alleine, ist also möglich. Doch auch wenn ich keine Mühe habe, Entscheidungen zu treffen, so war es aber gerade in der ersten Woche schon sehr fordernd, alles selbst machen zu müssen: Beiträge schreiben, Medienanfragen beantworten, mich um die Erneuerung der Akkreditierung bemühen; alleine die Betreuung der Sozialen Medien nahm fast die Hälfte aller Aktivitäten in dieser Zeit ein. Ich hätte mich da oft gerne mit einem Team besprochen und andere Meinungen eingeholt. Doch um ein Team zu finanzieren, hätte das Crowdfunding einen viel höheren Betrag erlösen müssen.

Was ging alles schief?

Die Entscheidung, keine Kameraausrüstung mitzuschleppen, sondern alle Fotos mit meinem angejahrten Smartphone (Samsung Note 3, gekauft im Frühling 2014) zu machen, war nicht unbedingt eine schlechte. Das Gerät war so stets zur Hand, die Qualität der Fotos ganz in Ordnung – solange die Sonne schien. In schlecht belichteten Räumen aber versagte das Gerät (oder der Fotograf), unscharfe Bilder waren dann die Regel. Die Versuche, per Bildbearbeitung zu retten, was noch zu retten war, gehören zu den Tätigkeiten, die ich wenn immer möglich zukünftig in die Hände von Profis geben möchte.

Bei 2 von insgesamt 56 Tonaufnahmen liess mich die Speicherkarte meines Audio-Aufnahmegeräts (Zoom H4nSP) im Stich, die Dateien konnten nicht geöffnet werden. Von einer weiteren Aufnahme, die ich auf einer Fussgängerbrücke über die Aare in Solothurn aufgenommen hatte, waren leider nur wenige Bruchstücke zu hören, weil der Wind ins Mikrofon blies und ich nicht an einen Windschutz gedacht hatte. Schade deshalb, weil der junge Mann der erste war, der sich zu einem Gespräch bereit zeigte, nachdem ich eine halbe Stunde lang vergeblich diverse Personen angesprochen hatte. Und schade deshalb, weil nicht nur das Foto ganz gut herausgekommen ist, sondern weil er auch eine interessante Art hatte, zu wählen: Er schrieb die Namen der ersten sechs Kandidaten, die ihm Smartvote.ch vorgeschlagen hatte, einfach 1:1 ab und notierte sie auf seinem Wahlzettel.

Wähler in Solothurn

Meine Idee, handschriftliche Postkarten an die Unterstützer zu versenden, wäre gar nicht so schlecht gewesen. Hätte es der notorische Laptop-Arbeiter Grob nicht in den letzten Jahren verlernt, von Hand zu schreiben. Zusammen mit einer leicht grobmotorischen Veranlagung sind nun Postkarten herausgekommen, die von den Empfängern im besten Fall sogar entziffert werden können. Viel «Spass»!

Wie ging das nochmals mit diesem «Eklat»?

Wer im Parlament Parlamentarier, die sich selbst fotografieren, fotografiert, ohne vorher eine explizite Erlaubnis einzuholen, dem wird die Akkreditierung entzogen. Soweit die Erkenntnis an Tag 3 von Nachbern.ch. Wer die Story dazu nachlesen will, kann das in diesen Beiträgen:

«Die Debatte im Nationalrat ist tot» (Nachbern.ch, 8. September 2015)
«Per sofort kein Zutritt mehr zum Bundeshaus für Nachbern.ch» (Nachbern.ch, 9. September 2015)
«Offener Brief an Mark Stucki, Bereichsleiter Information, Parlamentsdienste, Bern» (Nachbern.ch, 10. September 2015)
«Reaktionen auf den Entzug der Akkreditierung» (Nachbern.ch, 10. September 2015)

Was bleibt mir von der Geschichte in Erinnerung?

  • Dass Chantal Galladé (SP) bis heute behauptet, ich würde «lügen» (Screenshot) und wolle mit einer «falschen und bösartigen Unterstellung» (Screenshot) etwas erreichen. Eine Anfrage für ein klärendes Interview hat sie nicht beantwortet. Ich bleibe vollumfänglich bei meiner Darstellung und habe nichts zurückzunehmen.
  • Dass mir die «Sonntagszeitung» allen Ernstes vorwarf, mich selbst zu inszenieren, weil ich nicht brav akzeptieren wollte, dass mir der Zugang zum Bundeshaus entzogen wird. Die Story von Barnaby Skinner enthielt nicht nur vier faktische Fehler, die erst auf ausdrückliche Nachfrage korrigiert wurden. Sie ist – neben der legitimen und von mir akzeptierten kritischen Sichtweise («schoss sich auf Personen ein», «die grössten Verlierer sind deshalb die 101 Personen, die Grobs Berichterstattung mit 10 430 Franken unterstützen») – auch deshalb ein Tiefpunkt, weil sich hier ein Journalist gegen einen anderen auf die Seite der Staatsmacht stellte («der falsche Winkelried», «eine Posse sondergleichen», «missachtete die politische Debatte»). Ein Journalist, der einen anderen einen «falschen Winkelried» nennt, nur weil dieser unabsichtlich einen Punkt eines staatlichen Merkblatts vergessen hatte, bewegt sich auf sehr dünnem Eis.
  • Dass die Parlamentsdienste fähig sind zur argumentativen Akrobatik. Mir schreiben sie «Sie haben ab sofort keinen Zutritt mehr», was eine zeitlich unbeschränkte Sperre bedeutet. Die nachhakenden Journalisten dagegen informieren sie grossherzig, dass ich absolut problemlos jeden Tag wieder eine Akkreditierung erhalten könne. Der gutgläubige Barnaby Skinner etwa schrieb: «Der Parlamentsdienst sagt auch: Grob könne jederzeit einen neuen Antrag für eine Akkreditierung stellen. Der Ausschluss betreffe nur die Tage, die er bereits gemeldet habe.» Bei mir fragte er nicht nach. Tatsächlich wurde mir von den Parlamentsdiensten am 28. August 2015 per E-Mail eine tägliche Akkreditierung für die Zeit vom 6. bis 25. September 2015 zugesichert.
  • Dass man als Journalist eine Bewilligung zum Fotografieren der Parlamentarier von der Journalistentribüne aus auch dann einholen muss, wenn die Fotografen neben einem auf der Journalistentribüne Parlamentarier fotografieren – und wenn die Parlamentarier, die unter einem sitzen, einander fotografieren. De facto durfte ich vom 9. bis zum 14. September nicht ins Bundeshaus. Nach einer kurzen persönlichen Aussprache mit Mark Stucki von den Parlamentsdiensten wurde mir der Zugang ab dem 15. September 2015 wieder gewährt. Die Unterredung endete schon nach kurzer Zeit ohne jegliche Auflagen, aber mit der Zusicherung meinerseits, das Merkblatt zukünftig in allen Punkten einzuhalten. Am 17. September geisterte ich dann sogar als Gespenst durch das Bundeshaus, denn Mark Stucki schrieb mir per E-Mail:

    «Ich wurde kontaktiert, weil Sie – dem Vernehmen nach – heute auf der Pressetribüne des Ständerates waren und fotografiert hätten.»

    Ich schrieb ihm postwendend zurück:

    «Ich war heute bisher noch nicht im Parlament, also auch nicht auf der Pressetribüne des Ständerats. Falls jemand fotografiert hat heute, so kann ich ihnen zusichern, dass ich es nicht war.»

    Persönlich glaube ich, es würde den Parlamentsdiensten gut anstehen, in ihrem unterwürfigem Eifer, den Parlamentariern zu Diensten zu stehen, weder den Bürger noch das freie Wort zu vergessen. Denn sowohl die Parlamentarier als auch die Parlamentsdienste stehen in erster Linie im Dienste des Bürgers.

Wie war der Wahltag im Bundeshaus?

Langweilig. Und mit einem sehr bescheidenen Aufmarsch an Politikern. Doch vielleicht ist es ganz gut so, dass sich die Journalisten am Wahltag im Bundeshaus langweilen, während die Menschen der Schweizer Politik in ihren Kantonen zusammenkommen oder gleich zu Hause bleiben. In der Abwägung, ob das Fernsehen zukünftig aus Zürich-Leutschenbach oder aus dem Bundeshaus berichtet, sollte ganz simpel das tiefere Budget den Ausschlag geben. Denn man kann die «Elefantenrunde» überall in der Schweiz machen. Also am besten in einem kostengünstigen Fernsehstudio. In Zürich. In Lugano. Oder in Genf.

Wahltag im Bundeshaus am 18. Oktober 2015

«Wir können keine minimale Bandbreite für diesen Internetzugang garantieren», stand im Infoblatt der Parlamentsdienste für den Wahltag. Die TV-Übertragung per Stream im Kommissionszimmer der Deutschschweizer Journalisten funktionierte dann tatsächlich nicht, die dort schreibenden Journalisten wurden über Stunden mit einem ruckelnden Stream gequält; ein zu Hilfe gerufener Techniker konnte das Problem nicht lösen. Also schaute man in das TV-Gerät des «Grand Café des Alpes», zusammen mit den SRG- und SRF-Spitzen, welche die Wahlergebnisse emotionslos und mit stoischer Ruhe aufnahmen.

Wahltag im Bundeshaus am 18. Oktober 2015

Das Lagerfeuer TV SRF funktioniert zumindest am Wahltag noch perfekt. Die Deutschschweizer Journalisten drängen sich um den Bildschirm, auf dem SRF1 läuft. Die Westschweizer Journalisten um den Bildschirm vis-à-vis, auf dem RTS1 läuft. Die Journalisten sind übrigens inzwischen so modern, dass sie die Input-Informationen per Second Screen ergänzen (oft: Twitter). Beim schriftlichen Festhalten von Informationen jedoch ist die Technik erst sehr vereinzelt verbreitet. Sehr viele Bundeshausjournalisten machten sich Notizen mit einem Stift, auf einem Notizblock aus Papier.

Überwunden wird die Sprachgrenze des Röstigrabens erst, als sich die Journalisten am Abend Wein ausschenken lassen. Alle angebotenen Esswaren und Getränke waren übrigens für die Anwesenden kostenlos, Bezahlen nicht möglich. Finanziert wurde das vom Verein Hauptstadtregion Schweiz, wie die Parlamentsdienste auf Anfrage mitteilen, also indirekt vom Steuerzahler.

Wie war der Wahlkampf?

Dass die SVP zulegen und sich die SP auf Kosten der Grünen behaupten würde, das hatte ich auch ohne repräsentative Umfragen aufgrund meiner Gespräche mit den «Schweizer Wählern» vermutet; die ebenfalls Wähleranteil einbüssenden Mitteparteien GLP und BDP wurden dabei kaum je genannt. König dieses Wahlkampfs und stets im Fokus der Aufmerksamkeit war die SVP: Sie trieb die anderen Parteien vor sich her, die hauptsächlich reagierten, nicht agierten. Die neue, weichere, freundlichere Form des Wahlkampfs, wie sie diese Partei nun erstmals betrieben hat (vgl. «Der Wahlkampf der SVP 2015: Im Stil freundlich, in der Sache hart»), hat Früchte getragen: Der Anteil der Frauen an der Wählerschaft konnte stark gesteigert werden. Die neu hinzugekommenen Wählerinnen und Wähler setzen dann aber auch neue Akzente bei den Kandidaten und wiesen langjährige Aushängeschilder der Partei wie Hans Fehr (SVP), Roland Borer (SVP) oder Christoph Mörgeli (SVP) aus dem Parlament. Man kann wohl davon ausgehen, dass auch ein Toni Bortoluzzi (SVP) oder ein Max Binder (SVP) nicht wieder gewählt worden wären.

Hatte Nachbern.ch denn überhaupt Leser?

Ja. In der ersten Woche sehr viele, danach im erwartbaren Ausmass:

Zugriffszahlen Nachbern.ch

Darf man Berichterstattung als Belohnung anbieten?

Im Crowdfunding habe ich Belohnungen in Form von Berichterstattung in Aussicht gestellt, falls ein bestimmter Betrag gespendet werden sollte. Jemand bezahlte 500 Franken, damit ich «unabhängig und kritisch» von einer «Wahlkampf-Veranstaltung für die National- und Ständeratswahlen 2015» berichte. Und jemand bezahlte 1000 Franken für einen Drink inklusive Interview auf Nachbern.ch. Dass ich solche Angebote überhaupt mache, rief Kritik hervor, zum Beispiel in einem Interview auf Persoenlich.com. Und in Tweets:

@ronniegrob Kann man schon machen. Aber schade, wenn Zahlungsbereitschaft ausschlaggebend ist für Präsenz auf Deiner Seite.

— Rahel Walser (@Reidschl) July 30, 2015

@nachbern ich finds problematisch, ja. Weil man sich so Berichterstattung sichern kann. Auch die Auswahl gehört zur journ. Unabhängigkeit.

— Ruben Schönenberger (@rubensch) July 30, 2015

Nun ist beides nicht zustande gekommen. Im ersten Fall nicht, weil die Person einfach nur 500 Franken spenden wollte und die Belohnung versehentlich reklamiert hatte. Im zweiten Fall nicht, weil die Person dann doch nicht interviewt werden wollte.

Was war auch noch? (I)

Bei allerschönstem Spätsommerwetter war ich auch noch am Doppel-Wahlkampfevent «Zmörgeli mit Mörgeli» / «Ghackets mit Matterhörnli» von Christoph Mörgeli (SVP) und Thomas Matter (SVP) auf dem Huebhof in Bachs im Kanton Zürich. Bei musikalischer Begleitung von Willis Wyberkapelle wurde kostenlos ein gutes Frühstück serviert. Und dann gleich noch ein Mittagessen.

«Zmörgeli mit Mörgeli» am 12. September 2015 in Bachs

Aufgefallen am Anlass ist mir ein Mann im Publikum, der fast alles, was gesagt wurde, kurz kommentierte. Hier ein paar Müsterchen seiner Kommentare:

Matter: «87 Prozent der Asylbewerber beziehen Sozialhilfe.»
Mann aus dem Publikum: «Super!»
Matter: «Wir sollten kein Bargeld mehr verteilen, sondern nur noch Sachleistungen.»
Mann aus dem Publikum: «Genau!»
Mörgeli: «Wir sind ja ihre Knechte, und sie sind unsere Meister.»
Mann aus dem Publikum: «Schön wär’s!»
Matter: «Wann haben Sie zuletzt einen Anwalt vom Staat gestellt erhalten?»
Mann aus dem Publikum: «Ich habe noch nie etwas erhalten.»

«Zmörgeli mit Mörgeli» am 12. September 2015 in Bachs

Was war auch noch? (II)

Ich war an einem Fussball-Match auf dem Sportplatz Bodenweid in Bümpliz, welchen der FC Nationalrat gegen das Swisscoach-Team mit 0:1 verlor, unter anderem, weil Stürmer Fabio Regazzi (CVP) auch die besten Chancen versiebte. Die weiteren Offensivkräfte Christian Wasserfallen (FDP) und Hannes Germann (SVP) agierten allerdings auch nicht glücklicher. Ein Spielbericht lässt sich hier nachlesen. Auf dem Bild sehen wir einen Eckball des FC Nationalrat, links aussen mit der Rückennummer 8 steht Thomas Minder (parteilos):

FC Nationalrat

Was war auch noch? (III)

Der traditionelle Herbstsessions-Anlass der Schweizerischen Public Affairs Gesellschaft (SPAG) am 15. September 2015 im Hotel Bellevue in Bern, an dem DEZA-Sonderbotschafter Eduard Gnesa redete:

SPAG-Podiumsdiskussion am 15. September 2015

Auf dem Podium lieferten sich anschliessend Silvia Schenker (SP), Ruth Humbel (CVP), Oskar Freysinger (SVP) und Doris Fiala (FDP) eine zerfahrene Diskussion zum Thema «Migration über das Mittelmeer – Herausforderung für Europa und die Schweiz». Auf peinliche Weise emotional aneinander gerieten vor allem FDP und SVP: Fiala sprach bei jeder Gelegenheit dazwischen und Freysinger schaffte es, trotz mehrerer Nachfragen kein Wort zu äussern zur aktuellen Asylgesetzgebung. Von den Leuten auf dem Podium am ehesten einen vernünftigen Eindruck machte in dieser Diskussion Silvia Schenker, die von der Wichtigkeit sprach, dass die Asylgesetzrevision durchgebracht und nun umgesetzt werde. So gebe es auch in Zukunft geordnete Verhältnisse: «Die Bedingungen sind nicht erfüllt, als dass die Schweiz wieder Grenzkontrollen einführen müsste.» Der Diskussion nicht dienlich war es, dass die Moderatorin des Gesprächs, Anja Burri vom Tages-Anzeiger, den SVP-Vertreter wie einen Paria behandelte und ihn nicht angemessen zu Wort kommen liess.

Wem gebührt Dank?

Allen Spendern und Unterstützern. Allen Lesern und Kommentierern. Und überhaupt allen, die nach meinem Rausschmiss aus dem Bundeshaus solidarisch mit mir waren, Berichte darüber veröffentlicht und sogar persönlich bei den Parlamentsdiensten interveniert haben. Das ist nicht selbstverständlich, denn gerade Journalisten und Blogger habe ich mit meiner Medienkritik die letzten Jahre oft genervt und manchmal auch richtig verärgert. Bei allem (produktiven und angebrachten) Streit unter Publizisten ist es eben wichtig, dass man, wenn es darauf ankommt, zusammensteht und sich gemeinsam gegen die von Steuergeldern lebenden Informationsverhinderer stellt.

Was wurde über Nachbern.ch veröffentlicht?

«Reaktionen auf den Entzug der Akkreditierung» (nachbern.ch)
«Reaktionen zu Blogposts von https://nachbern.ch/» (storify.com/ath_nikow)
«Nach Rauswurf: Blogger Ronnie Grob darf wieder ins Bundeshaus» (aargauerzeitung.ch, Lorenz Honegger)
«Medien und der Comment im Nationalratssaal» (medienspiegel.ch, Peter Studer)
«Der Rand ist ständig» (srf.ch, Gabriel Vetter, Audio, 5:48 Minuten)
«Medientalk: Nachbern.ch – eine Zwischenbilanz» (srf.ch, Audio, 35:25 Minuten)
«Leise Töne statt Berliner Schnauze» (swissinfo.ch, Petra Krimphove)

Oktober 25, 2015von Ronnie Grob
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Parlament

Per sofort kein Zutritt mehr zum Bundeshaus für Nachbern.ch

Heute morgen um 10:32 Uhr habe ich dieses E-Mail erhalten von den Parlamentsdiensten des Bundeshauses:

Sehr geehrter Herr Grob

Leider mussten wir Ihre Akkreditierung zum Parlamentsgebäude sperren und Sie haben ab sofort keinen Zutritt mehr.

Wir sehen uns zu diesem Schritt gezwungen, nachdem Sie die Verhaltensregeln für Medienschaffende im Gebäude (die mit der Bestätigung zugestellt wurden) in grober Art missachtet haben. Einerseits sind Fotoaufnahmen von der Presstribüne aus bewilligungspflichtig, andererseits ist ausdrücklich auf die Vertraulichkeit von Dokumenten auf den Pulten der Ratsmitglieder hingewiesen. Es geht in keiner Art und Weise an, dass Sie ohne Bewilligung fotografieren und sich mit Kenntnissen über Daten von Ratsmitgliedern – welche Sie auf den Pulten einsehen konnten – in aller Öffentlichkeit brüsten.

Mit freundlichen Grüssen

Mark Stucki
Bereichsleiter
Information
Parlamentsdienste, CH-3003 Bern

Der Absender des E-Mails, Mark Stucki, war vor seiner Tätigkeit bei den Parlamentsdiensten übrigens Journalist, unter anderem als Bundeshauskorrespondent für die Sendung «10 vor 10» des Schweizer Fernsehens.

Tatsächlich habe ich einen Punkt auf dem «Merkblatt für Medienschaffende im Parlamentsgebäude» nicht eingehalten:

Auf den Presse- und Zuschauertribünen sind Foto-, Film- und Tonaufnahmen bewilligungspflichtig.

Ich habe für zwei von mir gemachten und im Beitrag «Die Debatte im Nationalrat ist tot» veröffentlichten Fotos keine Bewilligung eingeholt. Und das ist tatsächlich nicht absichtlich geschehen. Denn eigentlich hatte ich gar nicht vor, von der Pressetribüne aus zu fotografieren und habe darum auch nur mein Mobiltelefon mitgenommen und keinen Fotoapparat. Aber nachdem neben mir verschiedene Fotografen mit riesigen Objektiven Fotos machten und auch Evi Allemann (SP) im Ratssaal fotografierte, dachte ich, das sei erlaubt und habe mich nicht mehr an die Formulierung im Merkblatt erinnert.

Gegen den zweiten im E-Mail angemahnten Punkt – ich würde mich mit «Kenntnissen über Daten von Ratsmitgliedern» brüsten – habe ich nicht verstossen. Festgehalten im Merkblatt ist lediglich:

«Es ist verboten, Aufnahmen von Akten und Schriftstücken zu machen.»

Das habe ich nicht gemacht. Auf den beiden Fotos, die ich im betreffenden Beitrag veröffentlicht habe, sind keinerlei Akten und Schriftstücke erkennbar. Wenn schon, sind eher im Facebook-Eintrag von Chantal Galladé (SP) persönliche Akten und Schriftstücke erkennbar. Und dass man Beobachtungen im Parlament aufschreibt, ist doch Sinn der Einrichtung einer Journalistentribüne, oder etwa nicht?

Persönlich empfinde ich den sofortigen Entzug meiner Akkreditierung als eine gar harte Massnahme. Wäre es nicht angezeigt gewesen, zunächst das Gespräch mit mir zu suchen und vielleicht eine Verwarnung auszusprechen? Mir stellt sich auch die Frage der Medienfreiheit. Ist das von den Parlamentsdiensten verfasste Merkblatt vielleicht schon an sich eine Einschränkung der Medienfreiheit?

Was meint ihr? Ist es in Ordnung, dass ich überhaupt nicht mehr ins Parlament eingelassen werde, nur weil ich zwei recht harmlose Fotos unserer Parlamentarier bei der Arbeit veröffentlicht habe, auf denen keinerlei Akten und Schriftstücke erkennbar sind?

Nachtrag, 14. September 2015, 17 Uhr: Nach einem klärenden Gespräch mit Mark Stucki wird mir die Akkreditierung für das Bundeshaus ab dem 15. September 2015 wieder erteilt.

September 9, 2015von Ronnie Grob
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Parlament

Die Debatte im Nationalrat ist tot

Die Nationalräte am ersten Tag der Herbstsession sind wie Schulkinder am ersten Tag nach den langen Sommerferien. Aufgeregt begrüssen sie ihre Gschpänli im Saal, die sie ja schon so lange nicht mehr gesehen haben. Diese Menschen wirken erholt und sehen gesund aus, ihre Stimmung ist hervorragend, und sie lachen und sie schäkern, als wären sie an einer Party. Hätten durch die Sitzreihen ziehende und wie wie Honigkuchenpferde strahlende Parlamentarier wie Oskar Freysinger (SVP) oder Matthias Aebischer (SP) dabei einen Mojito in der Hand, würde das gar nicht nicht mal so verwundern. Der Geräuschpegel im Saal ist extrem hoch, was auch daran liegt, dass richtig viele Nationalräte anwesend sind an diesem ersten Tag. Es plappert und quatscht nur so vor sich hin im Saal.

Ah ja, und da steht dann auch noch jemand am Rednerpult und hält eine Rede. Doch niemand hört zu im Saal. Wirklich: niemand. Alle sind sie beschäftigt mit etwas anderem: Laptop, Smartphone, Zeitung, Gespräche. Dass das Telefonieren im Saal nicht gestattet ist, wirkt fast seltsam.

Am ehesten aufmerksam sind noch die Schulklassen auf der Zuschauertribüne. Doch in ihren Gesichtern findet sich vor allem Unverständnis bezüglich dem, was hier geboten wird. Irgendwie ist es nicht ganz das, was sie erwartet hatten. Der Unterschied ist auch beachtenswert. Während die Schulkinder (nicht nur auf den Zuschauertribünen) zur unbedingten Stille und Seriösität angehalten werden, regiert im Saal (der immerhin die politische Elite des Landes versammelt) zu weiten Teilen der Unernst, die institutionalisierte Respektlosigkeit gegenüber den Rednern durch Nicht-Zuhören, also durch verweigerte Aufmerksamkeit.

Good Wife Galladé

Nehmen wir mal Chantal Galladé (SP) während der Debatte zum Nachrichtendienstgesetz am Montagnachmittag. Dass ich gerade sie auswähle, ist Zufall, aber natürlich auch dem Fakt geschuldet, dass sie direkt unter der Journalistentribüne sitzt.

Ohne dass ich es wollte, kenne ich nun den Sperrcode des Smartphones von Chantal Galladé und das Hintergrundbild auf ihrem Laptop. Ich weiss, dass sich ihr AHV-Ausweis irgendwo zwischen der Carte Blanche des Tages-Anzeigers und anderen Plastikkarten befindet. Auf ihrem Tisch liegen neben dem Laptop und ein paar Papieren auch mehrere Staffeln der durchaus empfehlenswerten US-Serie «The Good Wife». Dass sie eigentlich hart arbeitet, erfahre ich dank Facebook. Sie hat sich nämlich von ihrer Sitznachbarin Evi Allemann (SP) fotografieren lassen während der Debatte und das Resultat umgehend auf Facebook hochgeladen:

Geschäfte und gaaaanz viel Papiere und Akten für den Sessionsstart…

Posted by Chantal Galladé on Montag, 7. September 2015

Hier aus der Gegenperspektive:

Chantal Gallade und Evi Allemann

Ich erschrecke, als Galladé plötzlich ihre extrem gutgelaunt in Angriff genommenen, vielfältigen Tätigkeiten unterbricht und ans Rednerpult stürmt. Es kommt für mich völlig überraschend, aber sie redet zum Nachrichtendienstgesetz. Tatsächlich ist sie sogar an einem Minderheitsantrag beteiligt! Doch kaum sitzt sie wieder, ist alle Aufmerksamkeit für die Gesetzesdebatte dahin. Sogar als Galladé zweimal direkt vom Rednerpult herab namentlich angesprochen wird, hört sie nicht zu. Sie bemerkt es nicht einmal, dass jemand zu ihr spricht, dass jemand sie erwähnt. Die Dringlichkeit von Daniel Vischer (Grüne) geht folglich völlig an ihr vorbei:

In diesem Sinne ersuche ich Sie dringend, von diesem Mehrheitsbeschluss abzurücken. Ich verstehe übrigens auch nicht ganz, warum die SP-Delegation in der Kommission diesen Antrag nicht unterstützt hat, nachdem Frau Galladé vorhin gesagt hat, die Öffentlichkeitsfrage sei einer der zentralen Punkte, die im Gesetz berücksichtigt werden müssten. Diese Frage stellt sich hier viel vordergründiger als im Artikel, zu dem Frau Galladé ihren Minderheitsantrag stellte.

Der Grund ist, dass Galladé bereits wieder im Gespräch mit Sitznachbarin Allemann ist. Um welches politische Geschäft es geht, bleibt offen, aber es muss eines sein, welches das Abdomen anbelangt. Das intensive Zwiegespräch der beiden Frauen wird nämlich von beiden minutenlang mit Gesten begleitet, die den eigenen Bauch betreffen.

Show für die Öffentlichkeit

Wenn nicht mal mehr die an einem Gesetz mit Anträgen beteiligten Parlamentarier zuhören, was geredet wird, dann ist die Debatte im Parlament tot. Oder aber sie ist eine Show für die Öffentlichkeit, das Aufrechterhalten einer in der Realität längst gestorbenen Verhaltensweise, eine leere Attrappe. Im deutschen Bundestag ist die Debatte übrigens ähnlich tot, wird jedoch anders gehandhabt. Bei vielen Diskussionen sind nur je eine Handvoll Parlamentarier von jeder Fraktion anwesend, die dann aber den Reden zuhören. Die eigenen Leute werden beklatscht, die Reden der Anderen mit Zwischenrufen begleitet.

Dass die Debatte im Parlament tot ist, ist auch den Parlamentsdiensten selbst bekannt. In der PDF-Broschüre «Die volle Wahrheit zum halbleeren Saal» auf Parlament.ch steht:

Ein Ratsmitglied, das pausenlos im Rat sässe, würde seine Aufgabe nur zum Teil wahrnehmen. Denn es hat während der Session zahlreiche weitere Verpflichtungen: Es nimmt an Fraktions- und Kommissionssitzungen teil; es stellt sich den Fragen der Medien, schreibt das nächste Votum oder einen Antrag; es kümmert sich um Besuchergruppen, erledigt die Post, macht auch einmal eine Kaffeepause und hat Bespre- chungen mit Bundesräten oder Angestellten des Bundes. Die Allermeisten sind also im Parlamentsgebäude und durchaus aktiv. In der Plenumsdebatte geht es denn auch nicht nur darum, Kolleginnen und Kollegen zu überzeugen, welche die Geschäfte und Positionen meistens bereits kennen, sondern auch darum, Transparenz gegenüber der Öffentlichkeit zu schaffen.

Transparenz gegenüber der Öffentlichkeit? Oder einfach nur Ego-Show, um den Wähler und die Parteigenossen für sich zu gewinnen? Wenn es nicht mehr darum geht, jemanden zu überzeugen, dann kann man sich die Reden doch auch einfach sparen.

Ich muss nun etwas korrigieren: Es sind nicht alle Nationalräte die ganze Zeit über taub gegenüber allen gehaltenen Reden. Denn auch in der Debatte zum Nachrichtendienstgesetz kommt es zu einem Moment der zumindest teilweise erstellten Aufmerksamkeit. Als sich nämlich Balthasar Glättli (Grüne) mit eindringlichen Worten an die SVP-Fraktion wendet, hören doch einige von denen zu. Es wird leiser im Saal, vielleicht, weil Glättli mal echt einen Punkt trifft:

Wenn wir nicht der Minderheit Vischer Daniel zustimmen, geben wir dem Nachrichtendienst die Kompetenz, ausländische Staatsbehörden mit Verwanzung anzugreifen, Staaten zu überwachen oder Computernetzwerke zu hacken. Wir müssten uns doch in der Schweiz als neutrales Land dafür einsetzen, dass es im Bereich des Internets auch so etwas wie Regeln gibt, wie das sonst im Kriegsrecht der Fall ist. Stattdessen drehen wir hier an der Eskalationsspirale mit.
Wenn Sie jetzt in der Argumentation das Beispiel des IS bringen, dann muss ich Ihnen sagen, dass dieser Absatz 2 sehr viel weiter gefasst ist. Dieser Absatz 2 kann irgendwelche ausländischen Ziele betreffen. Es ist klar, wenn wir hier dem Nachrichtendienst diese Kompetenz geben, ganz unabhängig davon, wer dann dazu Ja sagen muss, dann überschreiten wir eine dicke, dicke rote Linie! Ich bin überzeugt, dass in einer allfälligen Referendumsabstimmung genau dieser Punkt ein Punkt sein wird, zu dem wir Stimmen finden werden – auch auf der rechten Seite, wo ja immer die Neutralität unseres Landes so hoch gehalten wird -, die sagen: Wir wollen keinen Angriffskrieg der Schweiz, auch nicht im Internet.

«Die wichtigen Debatten finden heute nicht mehr im Parlament statt, sondern in den Medien. Vor allem im Fernsehen», sagt ein ungenannter Parlamentarier im «Zeit»-Artikel von Aline Wanner über den Erfolg des «Sonntalk» auf TeleZüri. Nehmen wir an, dieser Parlamentarier hat recht und der polemische Durcheinandertalk von Markus Gilli ist die Brutstätte der Meinungsbildung heute. Wenn also der «Sonntalk», an dem der «Lust und Frust der Woche» von rhetorisch begabten (und geschulten) Parlamentariern und Journalisten ausgebreitet wird, der Ort ist, wo «die wichtigen Debatten» stattfinden – was bedeutet das für die Schweizer Demokratie? Und kann man den Nationalrat als Ort der Debatte reanimieren? Wenn ja, wie?

P.S.: Eben meldet SDA, dass die Anzahl der Nationalratskandidaten 2015 mit 3802 erneut rekordhoch ist (2011: 3472 Kandidaten). Vielleicht ist das Nationalrats-Mandat heutzutage einfach zu attraktiv.

Nachtrag, 16:50 Uhr Chantal Galladé hat mit einem Tweet reagiert:

@ChantalGallade Wie machen Sie denn das? Der Debatte folgen, aber nicht den Rednern zuhören? Ich kann das jedenfalls nicht.

— Ronnie Grob (@ronniegrob) September 8, 2015

Nachtrag, 23:00 Uhr Und mit weiteren Tweets:

@martinsteiger @ronniegrob @nachbern wieso ist Lügen verbreiten auf Twitter üblich? Ok… Wusste ich halt nicht.

— Chantal Galladé (@ChantalGallade) September 8, 2015

@ChantalGallade Ich halte an meinen Beobachtungen fest. Und ich verbreite keine Lügen. Ausführliche Diskussion hier: https://t.co/zWpRxOJRCs

— Ronnie Grob (@ronniegrob) September 8, 2015

September 8, 2015von Ronnie Grob
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Über mich


© Daniel Jung
Hallo, mein Name ist Ronnie Grob. Seit 2007 arbeite ich als Journalist und Blogger. Ich bin verantwortlich für Nach Bern! – eine Website, die den Wahlkampf um die Schweizer Parlamentswahlen am 18. Oktober 2015 verfolgte. Details dazu HIER.

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4 Sie setzt sich ein für die dauerhafte Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen und für eine friedliche und gerechte internationale Ordnung.


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