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Interview

«Ich bin nicht der Typ, der jedem Reporter die Hand schütteln und sich nach seinem Wohlbefinden erkundigen muss»

Urs Schläfli (CVP) belegt im Sonntagsblick-Rating der «grössten Hinterbänkler» im Parlament den ersten Platz. Nomen est omen? Im Gespräch über Journalisten und Lobbyisten und über die Arbeitsbelastung eines Nationalrats stellt sich der Bauer aus Deitingen als gar nicht so langweilig heraus.

Artikel im Sonntagsblick vom 13. September 2015
Bild: Auschnitt des Artikels im Sonntagsblick vom 13. September 2015.

Herr Schläfli, ich habe jetzt eben dreissig Minuten lang erfolglos Solothurner dafür zu begeistern versucht, bei der Rubrik «Schweizer Wähler» mitzumachen. Sind Solothurner zurückhaltender als andere?
Das glaube ich nicht. Solothurn ist ein kleines, schönes Städtchen, eine typische Durchschnittsstadt in der Schweiz.

Sie sind aus Deitingen. Wie viele Einwohner hat Deitingen?
2000 Einwohner. Wir haben 20 Bauern, wovon die eine Hälfte voll erwerbstätig ist, die andere Hälfte den Betrieb im Nebenerwerb führt.

Sie bezeichnen sich als Meisterlandwirt. Wie viele Tage die Woche sind Sie Bauer?
Ich bewirtschafte einen viehfreien Betrieb mit Ackerbau. Im Winter beschäftigt mich das etwa einen Tag in der Woche, im Sommer ist es mehr. Bei Spitzenzeiten habe ich zum Glück auch ein paar Freunde im Dorf, die ich anrufen kann und die mir aushelfen.

Hat es im Parlament nicht schon genug Bauern? Ich war gestern im Wallis. Ein Politiker sagte mir, dass solange es in Bern mehr Bauern habe als Touristiker, das für ihn Motivation genug sei, zu kandidieren.
(Lacht) Ob es genügend Bauern hat oder nicht in Bern, ist schwierig zu beantworten. Man sagt immer, es sei die stärkste Lobby. Dabei gibt es einige Akademiker in Bern, die irgendwann mal eine bäuerliche Ausbildung gemacht haben. Die gelten oft als Bauern, vertreten jedoch gar nicht alle Bauerninteressen. Ich dagegen schon, das gebe ich auch gerne zu. Ich stehe ein für eine Bevölkerung mit wertkonservativer Haltung, für Bodenständigkeit.

Welche weiteren Interessen vertreten Sie? Wie jeder Parlamentarier können Sie zwei Badges vergeben. Sie ermöglichen den Zutritt Lobbyist Roman Weissen und Konrad Imbach, dem Geschäftsführer des Verbands GebäudeKlima Schweiz. Warum?
Konrad Imbach ist ein guter Kollege von mir, der auf der gleichen Liste kandidiert, das ist ein Freundschaftsdienst. Auf Roman Weissen kam ich über einen Kontakt bei der Partei, ich kannte ihn vorher nicht. Ich prüfte darauf hin, wer das ist und was der für eine Einstellung hat und kam dann zum Schluss, dass ich es absolut vertreten kann, dass er meinen Badge erhält.

Was haben Sie denn jetzt davon?
Nichts. Ich habe den beiden nichts versprochen und sie mir umgekehrt auch nicht.

Dann hätten sie die Badges doch auch einfach nicht vergeben können?
Ja, das wäre auch eine Variante gewesen. Inhaber von Badges sind jedoch auch immer Informationsquellen. Wenn ich Roman Weissen treffe, dann vorwiegend im Bundeshaus.

Wurde Ihnen etwas bezahlt für einen der Badges?
Nein, keinen Franken, ich würde dafür auch nie Geld nehmen. Die Gerüchte gehen zwar, dass es Gebote für diese Badges gibt in der Höhe von 10 000 Franken und mehr. Mich erreichte jedoch nur ein konkretes Angebot in der Höhe von 200 Franken, das ich natürlich abgelehnt habe. Im Wahlkampf gab es Angebote, Inserate in Verbandszeitungen für mich schalten zu lassen – im Gegenzug hätte ich mich dann aber verpflichten müssen, ihre Meinung in den nächsten vier Jahren zu vertreten. Auch das habe ich abgelehnt. Ich bin unabhängig, soweit ich das sein kann und bestreite auch meinen Wahlkampf vorwiegend aus eigenen Mitteln. Hinter mir steht kein finanziell potenter Industrieller oder so. Ich bin lediglich Vizepräsident des Solothurnischen Bauernverbands. Die drucken nun Flugblätter mit allen acht bäuerlichen Kandidaten des Kantons.

Ich habe gelesen, ihr Wahlkampf-Budget ist beschränkt. Wie hoch ist es denn?
Vor vier Jahren setzte ich rund 3000 Franken ein, heuer wohl etwa 4000 oder 5000 Franken. Hinzu kommt die Zeit für meine Arbeit und die von Freunden, die mir geholfen haben, zum Beispiel, um Wahlplakate aufzustellen. Dabei aktiv unterstützt wurde ich auch von der solothurnischen katholischen Bauernvereinigung, aber nicht finanziell.

Sie haben bisher erst fünf Tweets abgesetzt, unter anderem reagierten Sie auf eine Auswertung des Sonntags-Blicks, in der Sie als Nummer 1 der «grössten Hinterbänkler in Bern» hervorgingen.

Wer den Medien nicht nachrennt, dem rennen sie eben selbst nach. Doch so prominent im Sonntagsblick wie ich es heute bin ist selten einer!!

— Urs Schläfli (@SchlaefliUrs) September 13, 2015


Sie kommen im Text mit dem Zitat «ich renne den Medien nicht hinterher» vor. Wie ist ihre Beziehung zu den Medien?
Ich bin seit 2011 im Parlament und habe dann auch gleich die negativen Seiten der Medien kennengelernt. Die Journalisten schreiben halt, wie sie es wollen oder interpretieren, und das ist auch gut so. Aber als Politiker steht man dann schon öfters schräg in der Landschaft, weil Zitate nur teilweise zitiert werden oder von einer Geschichte nur ein Teil abgedruckt wird. Wenn ich Journalisten sah in der Wandelhalle, habe ich sie jeweils freundlich begrüsst. Aber der Typ, der jedem Reporter die Hand schütteln und sich nach seinem Wohlbefinden erkundigen muss, bin ich nicht.

Gibt es denn solche Nationalräte?
Ja, es gibt schon Parlamentarier, die Kontakte zu Journalisten eifrig pflegen. Mir liegt das nicht so. Ich pflege jene Kontakte, die ich gerne pflegen möchte. Aus heutiger Sicht muss ich jedoch sagen, dass ich die Bedeutung der Medien absolut unterschätzt habe. Man kann als Nationalrat die beste Arbeit abliefern, aber wenn niemand davon erfährt, ist es ohne Bedeutung. Den Kampf um Aufmerksamkeit kann man gut bei bedeutungslosen und chancenlosen Vorstössen von Parlamentariern beobachten – teilweise machen die Medien um diese ein riesiges Cabaret. Ich nehme mich davon auch nicht aus, denn ohne Vorstösse ist man als Parlamentarier nicht existent in den Medien. Den Umgang mit den Medien muss man als Parlamentarier lernen, mir hat das zu Beginn vielleicht etwas gefehlt. Ich war zuvor ja nur zwei Jahre im Kantonsrat und hatte dort wenig Umgang mit den Medien.

Macht nicht jeder Politiker heute ein Medientraining?
Ja, ganz zu Beginn war ich mal einen Tag lang in einem Medientraining.

Was lernt man denn dort?
Wie man richtig vor der Kamera steht zum Beispiel oder sich richtig ausdrückt. Es gibt aber wohl Politiker, denen die Medienarbeit leichter von der Hand geht und andere, die mehr Mühe damit haben. In den letzten beiden Sessionen habe ich nun vermehrt angefangen, selbst aktiv auf die Journalisten zuzugehen. Man muss denen halt eben auch ab und zu etwas stecken, wenn man nicht als «Hinterbänkler» abgestempelt werden will. Es funktioniert nicht, wenn man einfach nur wartet, abgeholt zu werden. Auf der anderen Seite will ich auch mich selbst bleiben können, ich bin ja kein Schauspieler.

Haben Sie denn mit den Lobbyisten mehr Kontakt als mit den Journalisten?
Mit ihnen habe ich immer wieder Kontakt, ich finde es spannend, mit denen zu diskutieren. Es ist ein Austausch der Argumentarien, den ich nicht als negativ betrachte, sondern als informativ, eine Bereicherung der Meinungsbildung durch persönliche Kontakte. Am Ende entscheide ich dann natürlich trotzdem selbst und unabhängig.

Nach vier Jahren im Bundeshaus: was ist anders, als sie erwartet hätten?
Der zeitliche Aufwand ist grösser als gedacht. Einem erfahrenen Juristen fällt es gerade zu Beginn natürlich leichter, sich in den Aufbau eines Gesetzes einzuarbeiten als einem juristisch nicht ausgebildeten Landwirt. Es mag sein, dass andere die anfallende Arbeit in einem 50-Prozent-Pensum meistern können. Bei mir geht es schon eher in Richtung 80 Prozent, wenn man alle Aufgaben dazuzählt. Es gibt heute kaum einen Tag, an dem ich nicht irgendwelche Unterlagen studiere. Ich habe die sogar schon mit zur Feldarbeit genommen.

Ist es möglich, neben dem Nationalratsmandat einen 100-Prozent-Job zu erledigen?
Ich wüsste nicht wie. Meine Arbeitszeiten auf dem Bauernhof sind der Fläche des bewirtschafteten Kulturlands angepasst und belaufen sich auf ein Pensum von 50 Prozent. Ich bin so ab und zu zeitlich am Limit, aber ich kann es leisten.

Was würden Sie im Parlamentsbetrieb ändern?
Für meinen Geschmack wird zu viel geredet. Reden im Nationalratssaal darf man ja nur zu jenen Geschäften, die man in der vorberatenden Kommission behandelt hat. Diese Regelung ist in Ordnung. Die Behandlung von Volksinitiativen dagegen gehört in die Kategorie 1, das heisst, hier darf jeder reden, wenn er will, maximal fünf Minuten lang. Und so reden dann jeweils 60, 70, 80 Nationalräte …

… weil sie endlich mal was sagen dürfen?
Ja, genau. Aber dann kommen doch nur immer wieder die gleichen Argumente. Man müsste da ehrlicherweise zugeben, dass längst alles gesagt ist, die Positionen der Parteien protokolliert. Doch die Möglichkeit zu einem Auftritt will man sich dann doch nicht entgehen lassen.

Es hört ja auch niemand zu. Wie ist das?
Zu Beginn störte mich das ungemein. Es ist eine Art Schaulaufen.

Und für wen eigentlich? Für die Medien? Geht es nicht nur darum, um mit einem Satz in der Hauptausgabe der «Tagesschau» zu landen?
Das haben Sie jetzt gesagt, ich habe es nur gedacht.

Wieso sind Sie überhaupt in der CVP?
Die christlichen Grundwerte sind mir schon wichtig, auch wenn ich nicht jeden Sonntag in die Kirche gehe. Ich bin aus einer CVP-Familie und fühlte mich von Anfang an wohl in der Partei, es ist eine Mittepartei. Die SVP ist mir bei den Themen Asyl- und Sozialpolitik zu radikal.

Wie schätzen Sie es ein: werden Sie wiedergewählt?
Vor zwei Monaten war ich fast überzeugt, dass es funktionieren könnte. In der Zwischenzeit bin ich mir nicht mehr so sicher. Denn dieses Sonntagsblick-Rating wurde in der massgeblichen Lokalzeitung, der Solothurner Zeitung, nun schon dreimal zitiert, dreimal wurde ich dort als «Hinterbänkler» bezeichnet. Eigentlich könnten die Journalisten doch einfach «der stille Schaffer» schreiben. Für mich zählt die seriöse Vorbereitung der Geschäfte mehr als die Medienaufmerksamkeit oder irgendwelche Ratings.

Das Gespräch mit Urs Schläfli wurde am 30. September 2015, um 14 Uhr, in Solothurn geführt.

Oktober 5, 2015von Ronnie Grob
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Interview

«Ich erhalte regelmässig Anfragen von Parlamentariern, die darum bitten, ich solle etwas schreiben für sie»

Martin Schläpfer ist Leiter Direktion Wirtschaftspolitik des Migros-Genossenschafts-Bunds. Oder kürzer: Cheflobbyist der Migros. Im Interview mit Nachbern.ch erzählt der Ex-Journalist, wie er mit Parlamentariern und Journalisten umgeht und was er von Volksvertretern denkt, die hauptamtlich Lobbyisten sind.

Ich treffe Schläpfer an einem Vortrag für eine aus Luzern angereiste Klasse der Kantonsschule Rämibühl in einem Seminarraum am Bärenplatz in Bern.

Zwei «I» habe jeder Politiker, erzählt Schläpfer den Kantonsschülern: 1. Die Ideologie und 2. Die Interessen. Doch was auch immer die Parlamentarier denken und erreichen wollen: Um wieder gewählt zu werden, so Schläpfer, müssen sie etwas machen für die Lobbys. Denn tun sie nichts für die Lobbys, können sie auch nicht mit einer finanziellen Unterstützung rechnen.

Im Dezember warte viel Arbeit auf ihn, denn zunächst mal wolle er den Parlamentarieren persönlich zur Wahl gratulieren. Und dann müsse er die Neugewählten kennenlernen, schliesslich erneuere sich das Parlament alle zwölf Jahre komplett, da verliere man rasch den Anschluss, wenn man nicht aufpasse. Sehr wichtig für einen Lobbyisten sei es zudem, die Namen der Parlamentarier präsent zu haben – es schmeichle eben, bekannt zu sein. Als Lobbyist müsse man immer Zeit haben, einen Kaffee trinken zu gehen. Er sei in der letzten Sessionswoche auch jeden Abend an einem Essen, denn dort erfahre er regelmässig Informelles.

Nach dem Vortrag stelle ich noch ein paar Fragen.

Die rein intellektuelle Herangehensweise sei nicht passend, sagen Sie. Wie gehen Sie vor? Was macht Sie zu einem guten Lobbyisten?
Der Mensch nicht nur kopfgesteuert, er hat auch eine emotionale Seite und ist ein soziales Wesen. Dass man kommuniziert am Arbeitsplatz, ist doch ganz normal. Niemand geht ins Büro und arbeitet nur streng nach Vorschrift an seinem Computer. Nein, man sucht Anknüpfungspunkte: Man freut sich, wenn man jemand mal wieder sieht, wenn man über Fragen reden kann, die einen verbinden.
Ein Grundfehler, den man machen kann als Lobbyist, ist es, allzu direkt und fordernd auf die Leute zuzugehen. Man muss im Gegenteil gar nicht immer über das Thema diskutieren. Viele Parlamentarier schätzen es auch, wenn ich ihnen mal helfe, wenn sie einen Rat brauchen oder bei der Einschätzung einer Frage.

Die Parlamentarier kommen also auf Sie zu?
Ja, einige bitten mich darum, dass ich ihnen private Kontakte verschaffe. Ich erhalte auch regelmässig Anfragen von Parlamentariern, die darum bitten, ich solle etwas schreiben für sie. Einigen kann man dann ein paar Stichworte liefern und sie tragen das frei vor. Andere fordern ein fixfertiges Manuskript, das sie dann im Rat verlesen.

Was sagen Sie zu Parlamentariern wie Lorenz Hess (BDP), die beruflich Lobbyisten sind?
Es ist eine neue Erscheinung. Diese Leute haben den Vorteil, dass sie in den Kommissionen mit dabei sind – auch wenn sie sehr gut aufpassen müssen, das Kommissionsgeheimnis nicht zu verletzen. Sie sind mit dabei an den Fraktionssitzungen, an den Parteiversammlungen und sie verfügen über einen Bundesrat. Das heisst, sie haben ein sehr viel engeres Verhältnis zum Machtapparat als die Lobbyisten ohne Mandat. Es besteht allerdings die Gefahr, dass sie mit ihren Mandaten ins Schleudern geraten. Die Frage ist: wen vertreten diese Personen wirklich? Und legen sie offen, wen sie vertreten?

Wie viele der 246 Parlamentarier sind de facto Lobbyisten, geschätzt?
Die meisten haben schon irgendwelche Verbandsverbindungen. Aber jeder Fall ist einzeln zu bewerten. Werner Luginbühl (BDP) ist Leiter Public Affairs der Mobiliar. Alex Kuprecht (SVP) ist Relation Manager für die Basler Versicherungen. Eric Nussbaumer (SP) ist Leiter Kommunikation bei Swisspower. Gregor A. Rutz (SVP) ist Inhaber einer Kommunikationsagentur. Christa Markwalder (FDP) ist Juristin bei den Zurich Versicherungen. Heute ist es schwierig, als Parlamentarier vollumfänglich operativ tätig zu sein in einem Job. Deshalb haben viele Parlamentarier solche Posten.

Haben Sie sich auch schon überlegt, als Parlamentarier zu kandidieren?
Ich habe mal mit 21 Jahren erfolglos in Schaffhausen kandidiert. Heute aber bin ich ganz klar der Ansicht, es sei besser, nicht im Parlament zu sein.

Gibt es Parteien, die der Migros besonders nahe stehen?
Wir haben mal eine interne Auswertung gemacht. Da kam heraus, dass die liberalen Parteien, also die GLP und die FDP, den Migros-Positionen am nächsten sind.

Die Migros ist kaum je negativ in den Schlagzeilen – ist das auch ihr Verdienst?
Ich versuche, Schaden von der Migros abzuwenden. Es gibt schon auch mal negative Schlagzeilen, wenn wir Waren zurückziehen müssen beispielsweise.

Sie sind 30 Jahre in Bern, zunächst als Journalist und nun seit zwölf Jahren als Lobbyist. Wie hat sich ihr Bild der Lage verändert in der Zeit?
Ich habe zu Beginn noch ein Papierarchiv geführt! Die neuen Medien haben in den letzten Jahrzehnten schon sehr viel geändert. Die Leute kommunizieren heute zwar offener als früher, doch wirtschaftlich ist es für den Journalismus schwieriger geworden.

Gehen Sie auch direkt auf Journalisten zu?
Ich gehe kaum aktiv auf Journalisten zu. Wenn mich jemand kontaktiert, erzähle ich aber schon mal eine Geschichte. Aktiv einen Primeur in eine Zeitung zu setzen, kann mithelfen, die Dinge in Bewegung zu setzen.

Ist nicht auch die Migros so ein wichtiger Werbekunde der Printmedien, dass kaum je ein Medium über die Migros schlecht schreibt?
Ich bin nicht Kommunikationschef der Migros und das Inseratebudget interessiert mich persönlich nicht. Ich glaube, die Migros hat gegenüber der Kritik ein entspanntes Verhältnis und ist auch nicht nachtragend.

Wurden Sie schon mal übertölpelt bei einem Entscheid im Parlament?
Eigentlich noch nie, ich bin eher pessimistisch und vorsichtig. Es gibt Lobbyisten, die starken Druck auf Parlamentarier ausüben, zum Beispiel SMS verschicken direkt vor den Abstimmungen oder versuchen, mit allen Mitteln eine Zusicherung zu erhalten. Das ist eher nicht mein Stil.

Das Gespräch mit Martin Schläpfer wurde am 23. September 2015 in Bern geführt. Foto: Pressefoto Migros-Genossenschafts-Bund.

September 28, 2015von Ronnie Grob
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Parlament

Reaktionen auf den Entzug der Akkreditierung

Der sofortige und offenbar unbefristete Entzug der Akkreditierung für Nachbern.ch durch die Parlamentsdienste hat viele Reaktionen ausgelöst. Ich blogge ja nun seit dreizehn Jahren, aber so viele Rückmeldungen auf einen einzelnen Beitrag hatte ich noch kaum je zu bewältigen: E-Mails, Tweets, Facebook-Nachrichten, Telefonanrufe, SMS, ich komme fast nicht dazu, alles zu verarbeiten. Ich hätte das Crowdfunding nicht auf 10’000 Franken, sondern auf 20’000 Franken ansetzen sollen – und mit dem Mehrbetrag einen Assistenten einstellen sollen, der den ganzen Tag Soziale Medien bearbeitet und E-Mails beantwortet. Dass sich die eine oder andere Antwort verzögert, bitte ich also zu entschuldigen.

Es ist schön, zu sehen, dass ich mit meinem Unverständnis für den Entscheid der Parlamentsdienste nicht alleine bin. Mit #fotigate hat sich sogar ein Hashtag zum Fall gebildet, und die Website darfronniegrobwiederinsbundeshaus.ch informiert darüber, ob ich wieder ins Bundeshaus darf, und falls ja, wann. Auch die Printmedien haben heute berichtet: Tages-Anzeiger, Der Bund, die Basler Zeitung und 20 Minuten – Nein, nicht die deutschschweizer Ausgabe – sondern die aus dem Tessin, 20 Minuti. Dafür würde mir mein liebster Feind, Peter Wälty aus der Chefredaktion von 20 Minuten, eventuell sogar eine Praktikumsstelle anbieten. Wie lieb!

@luschair @ronniegrob So gemein! Bei uns wär glaubs noch eine Praktikumsstelle im Ressort Schweiz frei…

— Peter Wälty (@peter_waelty) 10. September 2015

Wie ich weiss, haben mehrere Personen bei den Parlamentsdiensten nachgefragt, warum mir die Akkreditierung entzogen wurde und/oder darum gebeten, mir die Akkreditierung wieder zu erteilen. Andere haben ihnen bekannte Parlamentarier kontaktiert und sie darum gebeten, in dieser Sache aktiv zu werden. Wieder andere versuchen auf die Medien einzuwirken, damit sie über den Fall berichten. Und das haben viele Medien auch bereits getan:

«Nach kritischem Bericht: Journalist fliegt aus dem Bundeshaus» (aargauerzeitung.ch, Lorenz Honegger)
«Ronnie Grob darf nicht mehr ins Bundeshaus» (persoenlich.com, wid)
«Ronnie Grob ist raus aus dem Schweizer Bundeshaus» (turi2.de, Björn Czieslik)
«Journalist fliegt aus Bundeshaus – weil er SP-Nationalrätin Chantal Galladé zu genau aufs Smartphone geschaut hat» (watson.ch, Maurice Thiriet)
«Nachbern: Rausschmiss aus dem Bundeshaus» (ordnungspolitik.ch, Dominik Feusi)
«Polit-Unternehmer fliegt aus dem Bundeshaus» (blick.ch, kaz)
«Persona non grata im Bundeshaus» (blog.tagesanzeiger.ch/offtherecord, Christian Lüscher)
«Dann wollen wir dem Kleinen mal eine Lektion erteilen» (andreasvongunten.com)
«Parlamentsdienste – Deutsch: Ein Übersetzungsversuch» (karinfriedli.ch)
«Rausgeworfener des Tages: Ronnie Grob» (jungewelt.de, jos)

Einige Parlamentarier waren von sich aus solidarisch. Jacqueline Badran (SP), übrigens Unterstützerin des Nachbern.ch-Crowdfundings, bot unkomplizierte Hilfe an:

@thomas_ley @dani_graf @ronniegrob er kann mich jederzeit anrufen und ich bring ihn in die Wandelhalle.

— Jacqueline Badran (@JayBadran) September 9, 2015

Gerhard Pfister (CVP) gab meiner Kritik der Debattenunkultur im Nationalrat statt und fand darüber hinaus, es solle erlaubt sein, fotografierende Parlamentarier zu fotografieren:

@SchaerWords @ChantalGallade @cloudista @ronniegrob @nachbern man soll fotografierende Parlamentarier fotografieren dürfen.

— Gerhard Pfister (@gerhardpfister) September 9, 2015

@SchaerWords @ChantalGallade @cloudista @ronniegrob @nachbern Debattenkultur im NR inexistent. Grob hat Recht. Selfies ersetzen Argumente.

— Gerhard Pfister (@gerhardpfister) September 9, 2015

Wie geht es nun weiter? «Sofort den Rechtsweg einschlagen», empfahl etwa Ex-«Cash»-Chefredaktor Fred David. Ich werde aber zunächst mal abwarten, wie sich der mit meiner heute Morgen abgeschickten E-Mail-Antwort begonnene Dialog mit Mark Stucki entwickelt. Es ist doch zu hoffen, dass die Parlamentsdienste einsehen, dass ein sofortiger Entzug der Akkreditierung auf unbestimmte Zeit ein zu harter Entscheid ist. Und wir stattdessen gemeinsam zu einem vernünftigen Gespräch zusammenfinden. Chantal Galladé (SP) habe ich per E-Mail ein Interview auf Nachbern.ch angeboten, um die offenen Fragen zu klären.

Die Parlamentsdienste haben – so die neuste Entwicklung – Signale ausgesendet, dass eine Lösung des Problems durchaus möglich sein könnte. Ich halte Euch diesbezüglich auf dem Laufenden.

Nachtrag, 13. September 2015, 8:45 Uhr: Unter dem Titel «Der falsche Winkelried» ist nun auch noch ein Text in der «Sonntagszeitung» erschienen. Autor Barnaby Skinner findet die Auseinandersetzung um die Akkreditierung eine «Posse der gröberen Sorte». Ja, das kann man so sehen, warum auch nicht. Ich stelle einfach fest, dass die Grenzen der Medienfreiheit im Bundeshaus bereits ausgereizt sind, wenn ein Journalist sich erlaubt, zwei völlig harmlose Fotos von der Journalistentribüne zu machen und zu veröffentlichen. Man schliesst ihn deswegen einfach mal unbefristet aus.

Das Wort «Datenjournalist» unter dem Namen Barnaby Skinner könnte einen glauben machen, dass er die Daten im Griff hat. Leider ist das nicht der Fall. Im Text sind vier faktische Fehler zu finden:

1. Der Titel des betreffenden Textes heisst nicht «Das Ende der Debatte im Nationalrat», wie Skinner schreibt, sondern «Die Debatte im Nationalrat ist tot». Der Leser könnte es auf Nachbern.ch erfahren, doch leider schafft es Skinner wie übrigens auch die «Aargauer Zeitung», einen ganzen Text über eine Website zu schreiben, ohne sie zu erwähnen. Linkgeiz gibt es auch auf Print offenbar.

2. «Der 39-Jährige» – ich bin 40. Ist hier öffentlich.

3. «Er richtete sogar eine Website ein: http://www.darfronniegrobwiederinsbundeshaus.ch». Falsch. Ich habe diese Website nicht eingerichtet. Und es war auch nicht meine Idee, eine solche einzurichten.

4. «Grob könne jederzeit einen neuen Antrag für eine Akkreditierung stellen. Der Ausschluss betreffe nur die Tage, die er bereits gemeldet habe.» Falsch. Der Ausschluss wurde unbefristet ausgesprochen («ab sofort keinen Zutritt mehr»), das ist im von mir öffentlich gemachten E-Mail nachzulesen. Falls es tatsächlich nur die gemeldeten Tage betreffen würde, dann wäre die ganze Herbstsession und somit der ganze Wahlkampf 2015 betroffen.

Soweit die faktischen Fehler. Über den Parlamentsdienst schreibt Skinner: «Aber wenn er auf eine Regelverletzung hingewiesen wird, bleibt ihm nichts anderes übrig, als den Verantwortlichen auszuschliessen». Diesen Satz möchte ich dann gerne nochmals lesen. Aber wenn ein Journalist der «Sonntagszeitung» betroffen ist. In einem Land wie Russland oder Eritrea.

Soll ich nun eine Gegendarstellung einfordern von der «Sonntagszeitung»? Ach, ich weiss nicht. Ich stelle einfach fest, dass ein kurzer Text einer renommnierten Sonntagszeitung mehrere faktische Fehler enthält. Und solange mir nicht vorgeworfen wird, die Unwahrheit zu schreiben, bin ich beruhigt, und mache weiter. Übrigens hat sich bisher noch keiner der Unterstützer, die gemäss Skinner ja die «grössten Verlierer» der Sache sind, bei mir gemeldet und mir vorgeworfen, mich «selbst zu inszenieren». Vielleicht sind sie ja gar nicht so unzufrieden bisher.

Nachtrag, 13. September 2015, 14:15 Uhr: Auf meine Anregung hin hat Autor Barnaby Skinner im Text auf Sonntagszeitung.ch einige Korrekturen vorgenommen:

@ronniegrob Alter wurde von 39 auf 40 geändert: http://t.co/7Q4pspvfDb danke für aufmerksame Lektüre. Den vierten Fehler hast Du fabriziert.

— Barnaby Skinner (@BarJack) September 13, 2015

September 10, 2015von Ronnie Grob
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Parlament

Per sofort kein Zutritt mehr zum Bundeshaus für Nachbern.ch

Heute morgen um 10:32 Uhr habe ich dieses E-Mail erhalten von den Parlamentsdiensten des Bundeshauses:

Sehr geehrter Herr Grob

Leider mussten wir Ihre Akkreditierung zum Parlamentsgebäude sperren und Sie haben ab sofort keinen Zutritt mehr.

Wir sehen uns zu diesem Schritt gezwungen, nachdem Sie die Verhaltensregeln für Medienschaffende im Gebäude (die mit der Bestätigung zugestellt wurden) in grober Art missachtet haben. Einerseits sind Fotoaufnahmen von der Presstribüne aus bewilligungspflichtig, andererseits ist ausdrücklich auf die Vertraulichkeit von Dokumenten auf den Pulten der Ratsmitglieder hingewiesen. Es geht in keiner Art und Weise an, dass Sie ohne Bewilligung fotografieren und sich mit Kenntnissen über Daten von Ratsmitgliedern – welche Sie auf den Pulten einsehen konnten – in aller Öffentlichkeit brüsten.

Mit freundlichen Grüssen

Mark Stucki
Bereichsleiter
Information
Parlamentsdienste, CH-3003 Bern

Der Absender des E-Mails, Mark Stucki, war vor seiner Tätigkeit bei den Parlamentsdiensten übrigens Journalist, unter anderem als Bundeshauskorrespondent für die Sendung «10 vor 10» des Schweizer Fernsehens.

Tatsächlich habe ich einen Punkt auf dem «Merkblatt für Medienschaffende im Parlamentsgebäude» nicht eingehalten:

Auf den Presse- und Zuschauertribünen sind Foto-, Film- und Tonaufnahmen bewilligungspflichtig.

Ich habe für zwei von mir gemachten und im Beitrag «Die Debatte im Nationalrat ist tot» veröffentlichten Fotos keine Bewilligung eingeholt. Und das ist tatsächlich nicht absichtlich geschehen. Denn eigentlich hatte ich gar nicht vor, von der Pressetribüne aus zu fotografieren und habe darum auch nur mein Mobiltelefon mitgenommen und keinen Fotoapparat. Aber nachdem neben mir verschiedene Fotografen mit riesigen Objektiven Fotos machten und auch Evi Allemann (SP) im Ratssaal fotografierte, dachte ich, das sei erlaubt und habe mich nicht mehr an die Formulierung im Merkblatt erinnert.

Gegen den zweiten im E-Mail angemahnten Punkt – ich würde mich mit «Kenntnissen über Daten von Ratsmitgliedern» brüsten – habe ich nicht verstossen. Festgehalten im Merkblatt ist lediglich:

«Es ist verboten, Aufnahmen von Akten und Schriftstücken zu machen.»

Das habe ich nicht gemacht. Auf den beiden Fotos, die ich im betreffenden Beitrag veröffentlicht habe, sind keinerlei Akten und Schriftstücke erkennbar. Wenn schon, sind eher im Facebook-Eintrag von Chantal Galladé (SP) persönliche Akten und Schriftstücke erkennbar. Und dass man Beobachtungen im Parlament aufschreibt, ist doch Sinn der Einrichtung einer Journalistentribüne, oder etwa nicht?

Persönlich empfinde ich den sofortigen Entzug meiner Akkreditierung als eine gar harte Massnahme. Wäre es nicht angezeigt gewesen, zunächst das Gespräch mit mir zu suchen und vielleicht eine Verwarnung auszusprechen? Mir stellt sich auch die Frage der Medienfreiheit. Ist das von den Parlamentsdiensten verfasste Merkblatt vielleicht schon an sich eine Einschränkung der Medienfreiheit?

Was meint ihr? Ist es in Ordnung, dass ich überhaupt nicht mehr ins Parlament eingelassen werde, nur weil ich zwei recht harmlose Fotos unserer Parlamentarier bei der Arbeit veröffentlicht habe, auf denen keinerlei Akten und Schriftstücke erkennbar sind?

Nachtrag, 14. September 2015, 17 Uhr: Nach einem klärenden Gespräch mit Mark Stucki wird mir die Akkreditierung für das Bundeshaus ab dem 15. September 2015 wieder erteilt.

September 9, 2015von Ronnie Grob
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Über mich


© Daniel Jung
Hallo, mein Name ist Ronnie Grob. Seit 2007 arbeite ich als Journalist und Blogger. Ich bin verantwortlich für Nach Bern! – eine Website, die den Wahlkampf um die Schweizer Parlamentswahlen am 18. Oktober 2015 verfolgte. Details dazu HIER.

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3 Sie sorgt für eine möglichst grosse Chancengleichheit unter den Bürgerinnen und Bürgern.
4 Sie setzt sich ein für die dauerhafte Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen und für eine friedliche und gerechte internationale Ordnung.


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