Mit seinem Müller-Mobil betrieb der 31-jährige Ständeratskandidat Damian Müller Wahlkampf bis zum letzten Tag vor dem Wahltag. Zahltag war dieser aber noch nicht, denn keiner der Kandidaten erreichte das absolute Mehr im ersten Wahlgang. Der zweite findet Mitte November statt.
Ständeratswahlkampf in Neuenkirch im Kanton Luzern, einer Gemeinde mit 6426 Einwohnern an der südlichen Spitze des Sempachersees. Es sei heute der 17. Samstag, an dem er draussen stehe und ansprechbar sei, erzählt mir Damian Müller (FDP). Angefangen, mit seinem selbstumgebauten Dreiradmobil den Kontakt zur Bevölkerung zu suchen, habe er bereits Anfang Juni. «Meine Wählerschaft soll vor allem auch die Möglichkeit haben, mich näher kennen zu lernen», steht auf seiner Website.
Ständeratskandidat Müller, Jahrgang 1984, ledig und im Wohn- und Geschäftshaus seiner Eltern wohnhaft, hat das auch nötig. Die Leute müssen ihn kennenlernen und ihn im Amt des Ständerats, das viele eher älteren als jüngeren Personen zutrauen, sehen wollen. Müller selbst glaubt nicht, dass sein Alter ein Nachteil ist. Er sei ja schon vierzehn Jahre lang in der Politik aktiv und bringe ausreichend Erfahrung mit: «Politik sollte nicht nur von 55-Jährigen und Älteren gemacht werden, es braucht auch im Ständerat einen guten Altersmix.» Ausserdem, so Müller, hoffe die ältere Generation darauf, dass die jüngere Generation mit dabei ist.
Mit dem Einsatz des Müller-Mobils habe er seine Visibilität und Bekanntheit erhöhen und die Erfahrung machen können, dass viele Leute mit ihren Anliegen auf Politiker zukommen. Im Juni noch war das grosse Thema die Wirtschaft und der starke Franken. Bald darauf aber rückte die Flüchtlingskrise die Migration ins Zentrum der Diskussionen. Jeweils drei bis vier Orte im Kanton Luzern hat Müller pro Samstag besucht. Er war an 17 Samstagen unterwegs, die um 7 Uhr in Hitzkirch begannen und erst am späten Nachmittag endeten. Das Tagesprogramm heute: Ruswil am frühen Morgen, Neuenkirch am späten Morgen, Sempach am Nachmittag.
Müller hat ein Mobil, eine gut gemachte Website, er ist auf Twitter (427 Followers) und Facebook (1550 Fans) aktiv in den Sozialen Medien. Welche der Aktionen seines Wahlkampfs, der insgesamt rund 80 000 Franken kostete, brachte nun am meisten? «Man kann das nicht evaluieren. Am meisten bringt es, wenn man authentisch ist», glaubt Müller.
Im Interview macht er bereits den Eindruck eines Medienprofis. Seine Antworten sind überlegt, wohlformuliert und weder zu kurz noch zu lang. «Es ist doch auch abseits der Medienberichterstattung wichtig, dass man weiss, wen man wählt. Viele Wähler schätzen es, wenn Politiker noch auf die Strasse gehen.» Er sage allerdings niemandem, er müsse FDP auf den Wahlzettel schreiben. Im Gegenteil: Der Wähler müsse überzeugt werden.
Wer von den Menschen, die hier ihren Wocheneinkauf erledigen, Interesse hat, kriegt einen Kaffee. FDP-Politiker und FDP-Sympathisanten diskutieren hier miteinander über linke Lehrer, den FAZ-Debattenbeitrag von Lukas Bärfuss und über Lokalpolitik, stets befinden sich rund 10, 15 Personen rund um den Stand. Nach dem Mittag fährt Müller sein Mobil vor den Coop nach Sempach, wieder wird Kaffee serviert, wieder werden Guetzli angeboten, wieder wird diskutiert.
Was will Müller in der Politik überhaupt erreichen? Er will den Kanton Luzern vertreten. Und Gesetze nur dann verabschieden, wenn sie unbedingt nötig sind – er tritt generell an für weniger Regulierung. Letzteres will auch Nationalratskandidatin Irene Keller (FDP), von der ich ein Set Jasskarten aus Schweizer Produktion erhalte mit ihrem Konterfei drauf:
Ebenfalls am Stand ist Nationalratskandidat Roland Mahler (FDP), Transportunternehmer aus dem Entlebuch und einer breiteren Öffentlichkeit bekannt als vom «Blick» inszenierter «8. Bundesrat». Sein Lastwagen ist in Blickweite des Stands abgestellt, Müller und Mahler sind darauf gemeinsam zu sehen.
Trotz leidenschaftlichem Wahlkampf wurden die beiden Kandidaten im Schatten von Damian Müller nicht in den Nationalrat gewählt. Mit 19 044 Stimmen (Keller) und 23 094 Stimmen (Mahler) blieben sie doch deutlich zurück hinter den gewählten Albert Vitali (FDP) (36 183 Stimmen) und Peter Schilliger (FDP) (33 378 Stimmen). Während Schilliger, FDP-Präsident des Kantons Luzern, vom Bisherigen-Bonus profitieren konnte, strahlt Treuhänder Vitali eine Bodenständigkeit aus, die offenbar gut angekommen ist bei den Wählern (Hobbys: Jodeln, Schwingen, Kaninchenzucht, Skifahren, Wandern).
Damian Müller aber hat gute Chancen, bald dem Ständerat anzugehören. Am 15. November 2015 sind die Luzerner Wähler zu einem 2. Wahlgang aufgerufen.
Der Besuch fand am 17. Oktober 2015 in Neuenkirch und Sempach statt.
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